Post-Konkurrenz trickst bei Mindestlohn: Verträge mit Scheingewerkschaft

Eine Mini-Gewerkschaft steht im Verdacht, mit Briefzustellfirmen zu kungeln. Ziel: den Post-Mindestlohn aushebeln. Jetzt stellt Verdi Strafanzeige.

Wenn Arbeitgeber für Gewerkschaften werben, ist Skepsis angebracht. Bild: dpa

Der Brief des Lobbyisten der privaten Postfirmen ist erstaunlich offen. "Positiv unterstützend wäre, wenn möglichst viele Mitarbeiter Ihres Betriebes Mitglied in der neuen Gewerkschaft werden", schrieb Rudolf Pfeiffer, Chef des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP), im Dezember an seine Mitgliedsunternehmen. Unverblümt wirbt der Arbeitgebervertreter in dem Brief, der der taz vorliegt, für die Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ). Und fügt an: "Bitte in Ihrem eigenen Interesse: Bleiben Sie verschwiegen."

Heimlichkeit ist aus Sicht der Postzusteller angebracht. Denn der Brief belegt einen Verdacht, den die Gewerkschaft Ver.di seit Monaten hegt: Versucht die Postkonkurrenz den Mindestlohn auszuhebeln, indem sie mit einer Scheingewerkschaft Verträge abschließt? Am Dienstag hat Ver.di Strafanzeige gegen die in Köln ansässige GNBZ gestellt: Es sei eindeutig, dass sie "ihre nicht unerheblichen Geschäftsausgaben durch Gelder Dritter finanziere", so ein Sprecher. "Gegen den Vorstand besteht der Anfangsverdacht der Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr."

Was wirklich hinter der Gewerkschaft steckt, ist politisch brisant: Das Berliner Verwaltungsgericht hatte vergangene Woche den Post-Mindestlohn für unzulässig erklärt und sich dabei auf einen von der GNBZ ausgehandelten Tarifvertrag gestützt. Er dürfe nicht durch den jetzt gültigen Mindestlohn-Tarifvertrag verdrängt werden, der Briefträgern Löhne zwischen 8 Euro und 9,80 Euro garantiert. Wenn nun die GNBZ keine Gewerkschaft ist, fiele die Begründung des Verwaltungsgerichts in sich zusammen.

Die Geschichte der GNBZ ist kurz. Die Organisation gründete sich Mitte Oktober 2007, als Post-Konkurrenten Sturm gegen die Mindestlohn-Pläne der Koalition liefen. Die Arbeitgeber begrüßten die Neugründung freudig, schließlich lesen sich einige Ziele der GNBZ wie Vorstandsaussagen in Firmenbroschüren: Für "marktorientierten Wettbewerb" tritt die Arbeitnehmervertretung ebenso ein wie gegen die "Monopolerhaltung der Deutschen Post AG" - fast wortgleich argumentierten die Post-Wettbewerber gegen den Mindestlohn.

Bei der Mitgliederwerbung arbeitete die GNBZ nach Aussagen von Betriebsräten der PIN-Gruppe Hand in Hand mit den Firmenchefs. "In Leipzig ist der Zustellungsleiter durch die Depots gegangen, hat den Leuten Beitrittsformulare hingelegt und gesagt: Unterschreib, bis morgen hast du Zeit", sagte ein Betriebsrat der taz. Von 300 Mitarbeitern der Niederlassung wäre der größte Teil eingetreten. "Bei dem Wortlaut ist ja klar, was bei einer Weigerung passiert wäre."

Auch auf Leitungsebene dürfte der Draht zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft kurz sein. Den Kampf gegen den seit Januar gültigen Post-Mindestlohn hatte seinerzeit vor allem der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste organisiert. Im Vorstand sitzt Axel Stirl, der Chef der PIN Mail AG in Berlin - er führt also eine der wichtigsten PIN-Töchter. Im siebenköpfigen Vorstand der GNBZ wiederum sitzen laut Betriebsrat allein fünf PIN-Angestellte, die in Berlin Führungspositionen inne haben, etwa als Depot- oder Abteilungsleiter. "Da verhandelt also Arbeitgeber mit Arbeitgeber", sagt der Betriebsrat.

Die GNBZ wittert hinter all dem eine "haltlose Diffamierung", wie Vorstand Arno Doll sagt. Ver.di versuche mit der Anzeige, unliebsamer Konkurrenz zu schaden. "Keinen Cent haben wir von Arbeitgebern genommen. Die GNBZ finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden - wie jede Gewerkschaft." Sie habe 1.300 Mitglieder, Tendenz steigend.

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