Debatte US-Vorwahlkampf: Der Held der weißen Männer

Derzeit blicken fast alle begeistert auf den Vorwahlkampf der Demokraten. Doch die Republikaner haben einen guten Kandidaten, der die Wahlen im Herbst gewinnen kann.

Die Demokraten dürften bei den US-Präsidentschaftswahlen und den Kongresswahlen im Herbst gewinnen. In den Vorwahlen haben schon jetzt über 20 Millionen Bürger ihre Stimme für die Demokraten abgegeben und nur 16 Millionen für die Republikaner. Eine große Mehrheit sagt in Umfragen, dass sie die Demokraten sowohl in der Innen- wie Außenpolitik für kompetenter halten als die Republikaner - und das, obwohl alle republikanischen Kandidaten möglichst großen Abstand von Präsident George Bush hielten.

Senator John McCain, der designierte Präsidentschaftskandidat, lehnt schon seit langem ab, stets absolut loyal zu seiner Partei zu stehen. Dementsprechend sind zentrale ideologische Gruppen sehr aufgebracht, allen voran die religiösen und kulturellen Traditionalisten, aber auch die ökonomisch Konservativen, die ablehnen, dass der Staat die Steuern erhöht, um wirtschaftlich lenkend einzugreifen.

Zudem stört die Parteiideologen, dass McCain die Integration von Immigranten unterstützt, umweltpolitische Maßnahmen etwa beim Klimaschutz für nötig erachtet und offenkundig eine Konfrontation mit dem säkularen Amerika ablehnt. Der Vietnamheld stößt allerdings auf Sympathien bei den Anhängern eines amerikanischen Unilateralismus, die ihre militärische Macht nicht durch internationale Regelungen gefesselt sehen wollen.

Für McCain geht es nun darum, die Republikaner in einer Weise hinter sich zu vereinen, wie es einst Dwight D. Eisenhowers im Kampf gegen die Erben Franklin D. Roosevelts gelang. Drei Elemente sind da für sie zentral: kultureller und religiöser Traditionalismus - das gilt für Katholizismus wie Protestanten -, der Glaube, dass der Markt effizienter ist als der Staat. Und natürlich die Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten das Recht und sogar die Pflicht haben, eine globale Hegemonie auszuüben. Außerdem gab und gibt es stets einen schleichenden Rassismus. Der Einfluss der Republikaner ist außerordentlich gewachsen durch die kulturelle und soziale Mobilisierung innerhalb der Gesellschaft. Zudem ist es gelungen, verschiedenste ökonomische und ethnische, ideologische und regionale Interessen in den Gesetzgebungsinitiativen der Republikaner zu integrieren. Zu guter Letzt waren auch Journalisten wie Besitzer der großen Sender und Zeitungen bereit, die Partei und ihre Sicht der jüngsten Vergangenheit oft recht kritiklos wiederzugeben.

Hinzu kommt: Auch wenn die Partei stets gegen das "big government", also den angeblich zu großen Einfluss der Bundesregierung in Washington, agitierte, hat sie doch dafür gesorgt, dass die Macht des Präsidenten enorm gewachsen ist. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Republikaner in 36 der letzten 56 Jahren den Präsidenten gestellt haben. In dieser Zeit, also seit 1952, verloren die Demokraten zudem ihren einst übermächtigen Einfluss im Kongress, mit dem sie zu Roosevelts Zeiten den New Deal durchgesetzt hatten. Obwohl sie mittlerweile wieder die Mehrheit in beiden Häusern stellen, sind viele Demokraten von der New-Deal-Tradition abgerückt und unterstützen oft Gesetzesinitiativen der Republikaner oder orientieren sich nur an den Interessen ihres Wahlkreises. Das macht wirkungsvolle Initiativen der Demokraten ziemlich schwer. Die Präsenz der Partei im Kongress reduziert sich oft genug auf lautstarken Protest - und stillschweigende Unterstützung der Politik des Weißen Hauses.

In der Ära von George W. Bush wurden allerdings die Republikaner immer weiter auseinandergerissen. Und die große Mehrheit der Amerikaner fühlte sich immer öfter abgeschreckt von der Selbstgerechtigkeit der kulturellen und religiösen Traditionalisten. Ebenfalls kam nicht gut an, dass die wirtschaftlichen Risiken für Millionen von Familien stark zugenommen haben. Sie lassen sich von den Republikanern nun nicht mehr dadurch lindern, dass sie sich über das Wohlfahrtssystem Frankreichs lustig machen. Auch die Vorstellung von der amerikanischen Omnipräsenz in der Welt erweist sich gerade in Afghanistan und Irak als Illusion.

Die allgemeine Öffentlichkeit verfolgt die aktuellen Entwicklungen mit großer Skepsis. Sie hält den Irakkrieg ohnehin für einen großen Fehler und zeigt wenig Enthusiasmus, sich auf neue militärische Abenteuer einzulassen. Schlecht für McCain ist außerdem, dass er selbst einräumt, wenig von der Wirtschaft zu verstehen. Das ist nicht gerade vorteilhaft in einer Zeit, in der steigende Inflation und Arbeitslosigkeit, eine Immobilien- und Bankenkrise das Land erschüttern und die Wähler verunsichern. Ob der Republikaner als Befürworter des Irakkrieges und bekennender ökonomischer Laie, der staatliche Interventionen nicht schätzt, wirklich große Chancen hat, im Herbst gewählt zu werden, erscheint zumindest auf den ersten Blick zweifelhaft.

Doch blickt man zurück, stellt man fest: In all den Jahren der republikanischen Dominanz haben vor allem die weißen Männer mehrheitlich für konservative Präsidenten gestimmt. Zu Hause sahen sie sich bedroht von der Unabhängigkeit ihrer Frauen und Töchter, im Unternehmen konfrontiert mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, auf der Straße irritiert von spanischsprachigen Nachbarn. Auf diese kulturelle und ökonomische Enteignung reagierten sie wütend.

McCain mag in mancherlei Hinsicht eine Übergangsfigur sein zu einem rationaleren und integrativeren Republikanismus. Doch die persönliche Geschichte des Vietnamveteranen macht es ihm auch möglich, für die Tugenden zu stehen, die gerade diese weißen Wähler derzeit für unterbewertet halten. Es könnte ihm so gelingen, die zerrissene Partei wieder zu einen, zumindest bis zum 4. November, dem Termin der Präsidentenwahl. Trotz aller Probleme sollte keiner glauben, dass die unterschiedlichen republikanischen Strömungen nicht ernsthaft versuchen werden, die Partei wieder zu beleben. Selbst Mike Huckabee, der Pastor als Präsidentschaftskandidat, der offenbar glaubt, ein Wunder könne ihm den Weg ins Weiße Haus ebnen - selbst Huckabee wird sich bald zu der profanen Unterstützung verpflichten, die es braucht, damit das Präsidentenamt in republikanischer Hand bleibt.

Doch was auch immer die Amerikaner jetzt sagen, im Herbst dieses Jahres kann alles aber schon wieder ganz anders sein. Klar ist nur: Es wird eng. Allen Analysen, Kommentaren und schlauen Beiträgen der letzten Wochen zum Trotz: Es ist unmöglich zu sagen, ob Barack Obamas Jugend und gemischtrassige Identität wichtig sein wird oder die Tatsache, dass Hillary Clinton eine Frau ist, oder McCains fortgeschrittenes Alter und Protestantismus den Ausschlag geben können. Zumal bei einer Wählerschaft, die jünger und zunehmend multikulturell divers sein wird. Historiker jedenfalls werden noch lange darüber debattieren, so wie es auch jetzt schon tun, über die Frage, warum die Wahlen in den letzten beiden Jahrhunderten so oder so ausgegangen sind.

Übersetzung: Daniel Haufler

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