Erstes Militärtribunal gegen 9/11-Angeklagte: Pentagon verwendet Foltergeständnisse

In der Aufarbeitung der 9/11-Anschläge eröffnen die USA nun Militärtribunale gegen Guantánamo-Gefangene. Dabei sollen unter Folter erpresste Geständnisse verwendet werden.

Lässt die USA Recht und Anstand vergessen: Ground Zero. Bild: dpa

WASHINGTON taz Mehr als sechs Jahre nach den Attacken des 11. Septembers 2001 fordert die US-Regierung für die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge nun die Todesstrafe. Das Verteidigungsministerium erklärte am Montag in seiner offiziellen Klage, es beschuldige den ehemaligen Al-Qaida-Chefplaner Chalid Scheich Mohammed und fünf weitere Häftlinge, darunter auch Ramsi Binalschib, der früher mit dem Anführer Mohammed Atta in Hamburg zusammengelebt hatte, des Mordes und der Verschwörung. Das Pentagon wünscht die Hinrichtung der sechs Guantánamo-Häftlinge. Das Verfahren wird, so Experten, jedoch Jahre dauern.

Laut Bericht der New York Times habe US-Präsident George W. Bush keinerlei Einfluss auf den Zeitpunkt der Klage genommen. Vielmehr habe er das Prozedere ganz dem US-Militär überlassen.

Den sechs Männern wird vorgeworfen, sich mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verschworen zu haben, um Zivilisten anzugreifen und zu töten. Ihnen soll der Prozess wegen Mordes in 2.973 Fällen gemacht werden. Die Anklagen sind die ersten vor dem Militärtribunal auf Guantánamo, bei denen den Beschuldigten eine direkte Beteiligung an den Anschlägen vorgeworfen wird. Zudem wird erstmals vor dem Militärgericht die Todesstrafe gefordert.

Rechtsexperten weisen darauf hin, dass zahlreiche Verfahrensschritte ungeklärt oder widersprüchlich seien. Es sei unklar, wann die Angeklagten einen Verteidiger bekämen und in welchem Umfang die Verteidigung Einblicke in die Akten erhalten könne, da zahlreiche Informationen bislang aus Gründen der nationalen Sicherheit unter Verschluss blieben. Auf jeden Fall werde das Verfahren sehr lange dauern, meinen Juristen. Gründe seien zudem der Mangel an Militärverteidigern und Klagen gegen die Einrichtung der Kriegstribunale bis hin zur Frage, wo die Angeklagten schließlich hingerichtet werden könnten, da Guantánamo keine Todeskammer besitze.

Chalid Scheich Mohammed hatte laut einem im März 2007 veröffentlichten Vernehmungsprotokoll zugegeben, die Anschläge - und mehrere Dutzend weiterer - im Auftrag von Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden geplant zu haben. Ob das Geständnis des Pakistaners vor Gericht Bestand hat, ist unklar. Grund dafür ist, dass der US-Geheimdienst CIA eingeräumt hatte, bei den Befragungen Mohammeds in einem CIA-Geheimgefängnis die umstrittene Verhörmethode des "Waterboarding" eingesetzt zu haben. Die Methode, bei der dem Opfer das Gefühl vermittelt wird zu ertrinken, wird als Folter eingestuft. Zwar kam ein sogenanntes "Clean Team" des FBI und des Militärs innerhalb der letzten 16 Monate in einem korrekten Verhör - mit Starbucks-Kaffee für die Häftlinge - zu denselben Geständnissen, doch ist unklar, ob die Aussagen auch ohne vorherige Folter zustande gekommen wären.

Zu den übrigen Beschuldigten gehört Ramsi Binalschib, der laut den Anklägern selbst als Pilot an dem Attentat teilnehmen wollte, sowie Walid Muhammad Bin Attasch, der den Anschlag auf die "USS Cole" mitgeplant haben soll.

Das Verfahren ist nicht nur das erste vor den umstrittenen Militärtribunalen Guantánamos, sondern überhaupt der erste Prozess in den USA gegen Angeklagte, denen tatsächlich vorgeworfen wird, an Planung und Durchführung der Anschläge des 11. September 2001 direkt beteiligt gewesen zu sein. Bislang war der einen Monat vor den Anschlägen festgenommene Franzose marokkanischer Abstammung, Zacarias Moussaoui, der Einzige, der im Zusammenhang mit 9/11 verurteilt worden war - zu lebenslanger Haft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.