Trassengebühren für Geschichtsaufarbeitung: Deutsche Bahn bremst Gedenkzug aus

Heute eröffnet die Bahn eine Ausstellung zur Deportation von Millionen in die NS-Vernichtungslager. Den "Zug der Erinnerung" aber, ein Projekt von Bürgerinitiativen, schikaniert sie finanziell.

3 Millionen Menschen hat die Reichsbahn, NS-Forschern zufolge, während des Holocaust in die Vernichtungslager gefahren. Bild: dpa

BERLIN taz Etwa 3 Millionen Menschen hat die Reichsbahn, NS-Forschern zufolge, während des Holocaust in die Vernichtungslager gefahren. Die Fahrt in den Tod war ein Bombengeschäft: Für den Transport in Viehwaggons kassierte das Vorläuferunternehmen der Deutschen Bahn, penibel abgerechnet, pro Erwachsenen 4 Pfennig je Kilometer, Jugendliche und Kinder über vier Jahren brachten 2 Pfennig. Die Kosten trugen die Deportierten möglichst selbst. Insgesamt mehrere hundert Millionen Reichsmark hat die Reichsbahn an dem Völkermord verdient. Heute gedenkt sie dieser Schuld.

Im Berliner Bahnhof Potsdamer Platz wird am heutigen Mittwoch die Wanderausstellung "Sonderzüge in den Tod" eröffnet. Sprechen werden dabei unter anderem Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch - sowie zwei Frauen, deren Auftreten brisant ist: zum einen Beate Klarsfeld, die 1968 durch eine Ohrfeige für das ehemalige NSDAP-Mitglied, Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, bekannt wurde. Klarsfeld vertritt die Organisation "Les Fils et Filles des Déportés Juifs de France" und kämpfte über Jahre darum, dass die deutsche Bahn sich ihrer historischen Schuld stellt. Zum anderen redet für den Bahnvorstand Margret Suckale. Ihr Chef Hartmut Mehdorn fehlt. Er hatte ein Gedenken der Bahn an ihre Geschichte auf den Bahnhöfen jahrelang verzweifelt bekämpft. Umsonst.

Überhaupt liegt über der längst überfälligen Gedenkfeier ein Schatten: Der "Zug der Erinnerung", der als ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen ebenfalls seit November vergangenen Jahres der Deportierten gedenkt, wird nicht in den Bahnhof Potsdamer Platz einfahren dürfen. Das liegt ganz offenbar nicht an technischen Problemen - so etwa dem, dass der Gedenkzug, gezogen von einer Dampflok, in einen unterirdischen Bahnhof nicht einfahren könnte (er könnte auch ohne Dampf von einer E-Lok hineingeschleppt werden). Hans-Rüdiger Minow, ein Sprecher des "Zuges der Erinnerung", schimpft: "Man hat alles getan, um die Fahrt zu verhindern."

Die Bahn erhebt Minow zufolge "enorme finanzielle Forderungen" gegenüber dem "Zug der Erinnerung", sobald der sich in Bewegung setzt - oder auch nur auf einem Seitengleis eines Bahnhofs, so etwa schon in Nürnberg, Halle oder Bernburg, steht. An "Trassengebühren" und "Stationspreisen" für ihren Zug müssten die Initiatoren des Gedenkzuges eigenen Hochrechnungen nach zwischen 50.000 und 80.000 Euro an die Deutsche Bahn zahlen. In Mannheim, wo der Zug Mitte November vier Tage stand, forderte die Bahn 900 Euro für den Strom, 300 Euro allein für den Gebrauch von Stromkabeln. "So geht das hier am laufenden Band", kritisiert Minow: Während einfache Bahn-Mitarbeiter seit Monaten alles Mögliche versuchten, um die Fahrt des Gedenkzuges sicherzustellen, versuchten die Bahn-Oberen auf kaltem, meist finanziellem Wege, das Projekt zu torpedieren.

Dennoch soll der "Zug der Erinnerung" nach Aufenthalten in noch anderen deutschen Städten am 8. Mai, dem Tag des Kriegsendes vor 63 Jahren, in Auschwitz angekommen sein. Die Fahrt wird nach Schätzungen Minows voraussichtlich insgesamt 500.000 bis 600.000 Euro kosten - Geld, das die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung, bisher waren es über 60.000, durch Spenden aufbringen werden, so die Hoffnung. Dass die Bahn den Gedenkzug finanziell unterstützt, ist nicht zu erwarten. Immerhin haben schon sieben Bundestagsabgeordnete aller Parteien Bahn-Chef Mehdorn dazu aufgefordert, dem Gedenkzug einen Betrag zu spenden, der die Kosten für den Trassen- und Bahnhofs-Gebrauch ausgleicht.

Ein Bahn-Sprecher sagte, der Konzern sei gesetzlich verpflichtet, diese Gebühren zu erheben. Anders vorzugehen, dazu bestehe "keine Möglichkeit".

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