Umweltschützer wollen klagen: Gentechnik-Kartoffeln jetzt für alle

Im Sommer war der Acker, auf dem die Genkartoffel Amflora wächst, noch streng geschützt. Nun kann jeder die Restkartoffeln sammeln und verspeisen. BASF sieht kein Problem.

Kann jetzt jeder Magdeburger aus dem Acker buddeln - Genkartoffel Amflora. Bild: dpa

Burkhard Roloff versteht die Welt der Gentechniker nicht mehr. Roloff ist Umweltschützer in Mecklenburg-Vorpommern. Kürzlich ist er über Äcker in Zepkow, im Müritzkreis, und in Hohenmocker, im Landkreis Demmin, gewandert. Er hat Genkartoffeln eingesammelt, Sorte Amflora aus dem BASF-Konzern. "Einfach so", sagt er. "Kann jeder machen." Doch das ist so eigentlich nicht gedacht.

Denn Amflora ist keine x-beliebige Kartoffel, sie ist eine Versuchskartoffel - und nicht zum Essen geeignet. Darum war das Feld bis zur Ernte im Herbst auch abgesichert: mit Bauzaun, Elektrodraht, Videokameras und Bewegungsmeldern. Ein Wachdienst patrouillierte Tag und Nacht. Doch jetzt sind diese Sicherheitsvorkehrungen weg. Geblieben ist allein ein Warnschild "Versuchsfläche - Betreten verboten". In kleineren Buchstaben steht darauf zudem: "Versuchspflanzen, nicht zum Verzehr oder zur Verfütterung geeignet." Dabei hat BASF etliche Kilo Amflora auf dem Feld liegen lassen.

Bei jeder Ernte ist das so: einige Knollen bleiben in der Erde stecken, andere fallen beim Verladen runter. In Mecklenburg-Vorpommern ist es darum - wie in vielen anderen Regionen - üblich, dass Nachbarn auf dem Feld "stoppeln" gehen: Sie suchen die Äcker nach den Knollen ab, die der Bauer mit seinen Maschinen nicht mitbekommen hat.

Umweltschützer Roloff warnt: "Mancher verspeist Amflora nun als Bratkartoffel, mancher verfüttert sie an seine Tiere." Das Schild halte nicht jeden ab. Auch Wildschweine könnten sich über Amflora hermachen. "Dabei wissen wir nicht, wie sich die Genmanipulationen auf Mensch und Natur auswirken", sagt Roloff.

Die BASF-Sprecherin Susanne Benner teilt die Bedenken nicht: "Amflora ist für Mensch, Tier und Umwelt sicher wie jede andere Kartoffel auch. Sie ist geprüft." Doch so einfach ist das nicht. Amflora ist umstritten.

Die EU-Kommission will in diesem Januar zwar neu entscheiden, noch aber verbietet sie den kommerziellen Anbau. Hauptsorge ist ein Gen für Antibiotika-Resistenz, das in Amflora eingebaut ist. Dieses dient als "Marker im Erbgut", wie die Experten sagen. Amflora ist damit leichter für sie zu erkennen und von herkömmlichen Sorten zu unterscheiden. Nur, so erklärt Roloff: "Diese Antibiotika-Resistenz kann auf Bakterien im Magen-Darm-Trakt von Menschen und Tieren übertragen werden." Im schlimmsten Fall könnten bei Kranken dann Antibiotika nicht mehr wirken.

BASF hat eine experimentelle Freisetzungsgenehmigung beantragt, damit der Konzern die Genkartoffeln aufs Feld bringen kann. Das macht man hierzulande beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Die Behörde, die CSU-Bundesagrarminister Horst Seehofer untersteht, bewilligte BASF im vergangenen Frühjahr den Anbau von Amflora auf bundesweit zehn Standorten. Bis 2011 darf der Konzern auf jedem Standort bis zu 45.000 Knollen ausbringen, allerdings nur unter Auflagen. Die Beamten schrieben: "Die Freisetzungsflächen sind nach der Ernte noch einmal auf gentechnisch veränderte Kartoffeln abzusuchen."

Das ist aber nur die "Theorie, die Praxis ist anders", moniert Roloff. Er hat mit anderen Mitstreitern allein von zwei Feldern schon zehn Kilo Amflora eingesammelt. Ende des vergangenen Jahres haben die Genkritiker diese beim Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern abgegeben, das zusammen mit dem Landesagrarministerium für die Kontrolle der Testfelder in Zepkow und Hohenmocker zuständig ist. Sie forderten "das umgehende behördliche Einschreiten", "den Entzug der Genehmigung", "die Information der Öffentlichkeit". Die Umweltschützer sehen "Gefahr im Verzug", die Behörden zusammen mit BASF allerdings nicht.

BASF-Frau Benner: "Unser Vorgehen ist mit den zuständigen Behörden abgestimmt. Das ist die ganz normale landwirtschaftliche Praxis." Und Gernot Haffner, der Sprecher des Landesagrarministeriums, hält das Vorgehen von BASF für "völlig in Ordnung" und "gewollt". Die Kartoffeln müssten auf dem Feld "auswintern". Das heißt: kaputt frieren.

Roloff reicht es nicht, auf das Wetter zu setzen. Er wird über den Ökoverband BUND, bei dem er als Gentechnikexperte arbeitet, noch in diesem Monat Strafanzeige gegen BASF stellen.

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