Werbung und Sponsoring: Optiker sollen aus Schulen fliegen

Brillenreklame oder sinnvolles Gratisangebot? Optiker gehen an Schulen und testen kostenlos Kinderaugen - besonders der Augenärzteverband läuft dagegen Sturm.

Sehen sich Kritik ausgesetzt: Deutschlands Optiker Bild: ap

MÜNCHEN taz Werbung und Sponsoring an Schulen sind keine Seltenheit mehr: Keksfabrikanten stiften Sporthemden, Lehrer erhalten Produktproben von Spielzeugherstellern - all das ist umstritten, aber zumindest als Werbung erkennbar. Nicht so eindeutig ist die Situation bei Sehtests. Optiker und Krankenkassen haben innerhalb der letzten eineinhalb Jahre über 50.000 Tests an 600 Schulen initiiert, darunter zahlreiche Grundschulen. Mithilfe eines so genannten "mobilen Refraktometers" bestimmten Optiker dabei die Sehschärfe der Schüler - gratis.

Der Augenärzte-Verband regt sich auf. Zahlreiche Kollegen aus ganz Deutschland hatten gemeldet, dass Kinder bei ihnen in der Praxis auftauchten, denen überflüssige Brillen aufgrund solcher Tests empfohlen worden waren. Für Georg Eckert, Sprecher des Berufsverbands der Augenärzte, sind die Sehtests nach dem Schulgesetz verbotene Werbeveranstaltungen. Noch ein anderes Problem sehen die Ärzte: Die angebotenen Tests seien medizinisch unzureichend, weil einige Fehlsichtigkeiten unerkannt blieben. "Die Eltern wiegen sich aber in Sicherheit und suchen nicht mehr den Augenarzt auf", sagt Eckert.

Freilich geht es hinter den Kulissen auch um Pfründen. Denn mittlerweile werden zwei Drittel der Sehtests von Optikern anstatt von Ärzten vorgenommen.

In Berlin hat sich der Augenärzteverband an den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU im Landesparlament gewandt. Dieses forderte die Landesregierung auf, die Optiker-Sehtests, aber auch so genannte "Seh-Check-Boxen", die in den Unterricht integriert werden können, an Schulen zu verbieten. Diese Do-it-yourself-Pakete werden vom "Kuratorium Gutes Sehen" verschickt. Schulkinder könnten damit "spielerisch an einen Sehtest herangeführt werden". Das Kuratorium nennt sich eine unabhängige Initiative - allerdings steht dahinter auch die Brillenindustrie. In den Paketen finden sich darum auch Werbebroschüren. Mittlerweile hat die Berliner Landesregierung einen Rundbrief an alle Schulen im Stadtgebiet geschickt und von den Sehtests abgeraten.

Deutschlandweit waren an den Sehtests verschiedene Krankenkassen beteiligt - aber besonders häufig die Kaufmännische Krankenkasse. Dort ist man sich jedoch keiner Schuld bewusst. Kassen-Sprecherin Daniela Friedrich weist darauf hin, dass die Eltern vor dem Test ihr Einverständnis dazu geben müssten, dass man sie später telefonisch kontaktiere. Zu einem Kassenwechsel sei niemand gedrängt worden. Und: Teilweise sei die Initiative sogar von den Schulen ausgegangen.

Auch der Zentralverband der Optiker weist die Vorwürfe zurück. "Wir haben unsere Paket-Aktion gar nicht als Sehtest betitelt", erklärt die Verbandssprecherin Gabriele Gerling. Es solle lediglich für das Thema sensibilisiert werden. Das Paket des Optikerverbandes ist am "Tag des Sehens" im September an 2.400 Schulen in Deutschland verteilt worden.

Für Helmut Schorlemmer, Leiter des Pestalozzi-Gymnasiums in Unna und Experte für Schulsponsoring, sind die Sehtests rechtlich nicht sauber. "Wenn es tatsächlich um eine Vorsorgemaßname geht, müssen die Sehtests von Augenärzten, im Idealfall beauftragt von den Gesundheitsämtern, vorgenommen werden", sagt Schorlemmer. Die Schule müsse werbefreier Raum bleiben. "Dafür müssen vor allem wir Pädagogen sorgen."

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