Hungerstreik in Brasilien: "Notfalls bis zum Tod"

Mit einem Hungerstreik protestiert ein brasilianischer Bischof gegen die geplante Umleitung eines Flusses. Präsident Lula da Silva zeigt sich unbeeindruckt. Er nennt den Protest "absurd".

Zeigt kein Einlenken: Brasiliens Präsident Lula da Silva Bild: dpa

BUENOS AIRES taz "Sie haben mich und die brasilianische Gesellschaft betrogen," klagt der katholische Bischof Luiz Flavio Cappio den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva an. Cappio wirft ihm vor, die Umleitung eines Flusses, des Rio São Francisco, trotz anders lautender Vereinbarungen und ungeachtet der Proteste der Einwohner weiter voranzutreiben.

Der Rio São Francisco ist mit 2.700 Kilometer der drittlängste Fluss des südamerikanischen Landes. Durch den Bau von Umleitungskanälen soll nach Angaben der brasilianischen Regierung die Wasserversorgung von 12 Millionen Menschen im Nordosten des Landes gesichert werden. Kritiker sehen jedoch vor allem zwei Nutznießer: die exportorientierte Bewässerungslandwirtschaft und die Bauwirtschaft. Die Euphorie um die Biotreibstoffe, vor allem Ethanol aus Zuckerrohr, hat die Stimmung in der Regierung, neue Anbauflächen für bewässerte Zuckerrohrplantagen zu erschließen, weiter angeheizt.

"Dieses Projekt kommt nicht im geringsten den Armen zu Gute. Die Regierung garantiert nicht einmal die Wasserzuleitung in vielen hundert kleinen Ortschaften direkt am Flussufer," klagt Bischof Cappio. Schon jetzt führt der Fluss jedes Jahr weniger Wasser.

Seit zehn Tagen ist der 61-jährige Geistliche wieder im Hungerstreik. Diesmal werde er seinen Hungerstreik erst beenden, wenn die Regierung das Militär und seine Bagger zurückgezogen und das Projekt endgültig eingestellt hat. "Notfalls bis zum Tod," so Cappio.

Offiziell läuft die so genannte "Transposição" unter dem Namen "Integration der Wassereinzugsgebiete". Durch den Bau von zwei Kanälen mit 400 km und 220 km Länge, sollen pro Sekunde 26,3 Kubikmeter Flusswassers in die nördlich gelegenen und zeitweise ausgetrockneten Flüsse umgeleitet werden.

Kritiker verweisen jedoch darauf, dass nach dem derzeitigen Planungsstand 70 Prozent des Wassers zur Bewässerung in der Landwirtschaft eingesetzt werden, vor allem auf den Obst- und Zuckerrohrplantagen sowie in der Krabbenzucht. 26 Prozent sollen in die nördlichen Städte wie Fortaleza fließen und lediglich vier Prozent des Wassers sollen den Menschen in den betroffenen Gebieten zugute kommen. Die Kosten des 1,4 Milliarden Euro-Projekt sollen nach dem Bau durch Umlegung auf die Wasserpreise von den Nutzern getragen werden.

Trotz noch anhängiger Verfahren laufen seit Mai 2007 die Bauarbeiten. Im Einsatz ist das Ingenieur-Bataillon des brasilianischen Militärs. Ende Juni hatten rund 1.500 Menschen die Baustelle des Nordkanals vorübergehend besetzt. Getragen wird der Protest von der katholischen Landpastorale, der Landlosenbewegung MST, zahlreichen Umweltschutzorganisationen und indigenen Gemeinschaften.

Vor zwei Jahren war Bischof Cappio schon einmal in den Hungerstreik getreten. Im Oktober 2005 kam es nach elf Tagen Hungerstreik zu einem Abkommen mit der Regierung. Darin wurde vereinbart, das Projekt auszusetzen und einen breiten Dialogprozess zu beginnen. Monate später hatte schließlich ein einziges Treffen zwischen Vertretern der Regierung und der Zivilgesellschaft stattgefunden. Danach wurde alles bis nach der Präsidentenwahl vertagt. Seit aber Lula Ende Oktober 2006 im Amt bestätigt ist, ignoriert er alle Vereinbarungen. "Diesmal gibt es keine Verhandlungen," stellte Lula klar und nannte den neuerlichen Hungerstreik "absurd." Die frühe Festlegung des Präsidenten könnte zum Bumerang werden. Denn täglich pilgern immer mehr Menschen aus den betroffenen Regionen zu ihrem Bischof. Für Sonntag ist eine erste große Wahlfahrt geplant.

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