Interview zur Familienpolitik: "Betreuungsgeld eine Männeridee"

Die Union hat das Betreuungsgeld gegen den Wunsch der CDU-Frauen in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen. Auch Claudia Menne vom Deutschen Frauenrat plädiert für familienpolitische Alternativen.

Konnte sich nicht durchsetzen: Familienministerin Ursula von der Leyen Bild: dpa

taz: Frau Menne, die CDU hat das Betreuungsgeld in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen. Ist das eine sinnvolle Idee?

Claudia Menne: Nein, wir sehen die Gefahr, dass dieses Geld nicht zur optimalen Förderung der Kinder führt.

In den Siebzigerjahren haben Feministinnen Lohn für Hausarbeit gefordert. So könnte man ein Betreuungsgeld doch auch interpretieren, oder?

Es hat sich inzwischen aber etwas Grundlegendes geändert. In den Siebzigern haben viele Männer einen Familienlohn nach Hause gebracht, von dem sie ihrer Frau durchaus ein Gehalt hätten zahlen können. Heute sind die Löhne der Männer oft niedriger. Und die Familien, in denen die Frau nicht erwerbstätig ist, haben ein hohes Armutsrisiko. Die letzte OECD-Familienstudie zeigt ja, dass die Kinderarmut dort am niedrigsten ist, wo die Frauen erwerbstätig sind und es eine gute Betreuungsinfrastruktur gibt. Das kann man durch 150 Euro Betreuungsgeld nicht ausgleichen.

Die CDU-Frauen sind auch nicht gerade glücklich mit dem Betreuungsgeld. Nach dem Parteitag wollte sich die Frauenunion lieber gar nicht mehr dazu äußern.

Die Frauenunion ist Mitglied des Deutschen Frauenrats. Und die Frauenunion hat mit uns einen Beschluss verabschiedet, der das Betreuungsgeld ablehnt. Sie hat versucht, das in einem eigenen Antrag auf dem Parteitag deutlich zu machen. Aber sie hatte keinen Erfolg. Deutlicher kann man nicht zeigen, dass das Betreuungsgeld offensichtlich eine Idee der Männer ist.

Die CDU hat zudem auch das Familiensplitting in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen. Wie sehen Sie das?

Mit Sorge. Wir haben deshalb gemeinsam mit dem Zukunftsforum Familie und dem Juristinnenbund noch einmal ein Alternativmodell vorgeschlagen.

Die CDU-Frauen sind auch gegen das Familiensplitting?

Nein, die Frauenunion ist dafür. Doch der Deutsche Frauenrat hat sich vergangenes Jahr gegen das Familiensplitting ausgesprochen und fordert im Übrigen bereits seit fast zwanzig Jahren die Individualbesteuerung, eine Alternative, die für uns der bessere Weg ist.

Was spricht denn gegen das Familiensplitting?

Das Familiensplitting ist eine Fortführung des Ehegattensplittings auf höherem Niveau. Der Vielverdiener einer Familie spart damit weiterhin überproportional an Steuern. Am meisten profitieren davon weiterhin Einverdiener-Ehen. Wenn beide Partner etwa gleich verdienen, sinkt dieser Splittingvorteil gegen null. Unverheiratete mit Kindern haben ebenfalls nichts davon, weil der Vorteil an die Ehe geknüpft ist. Und auch alle armen Familien, die wenig oder keine Steuern zahlen, profitieren von dem Steuervorteil nicht. Das ist doch keine Familienförderung.

Was schlagen Sie an Stelle dessen vor?

Wir möchten, dass Frauen und Männer individuell besteuert werden. Das Verfassungsgericht hat ja lediglich gefordert, steuerlich anzuerkennen, dass Eheleute gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet sind. Wenn also einer wenig verdient, muss der andere steuerlich entlastet werden, weil er ihn mitversorgt. Dazu braucht man aber kein Ehegattensplitting. Man könnte das steuerfreie Existenzminimum dann auf den Vielverdiener übertragen. Er hat dann also zwei Freibeträge, weil er ja für die Existenz des Partner mitsorgt.

Wie viel könnte der Staat mit diesem Modell gegenüber dem Ehegattensplitting sparen?

Nach unserer Rechnung etwa 16 Milliarden Euro.

Die nehmen Sie den Familien also erst mal weg.

Das nehmen wir auch Ehepaaren ohne Kindern weg, die ja vom Splitting jetzt auch profitieren - und vor allem denen mit hohem Einkommen. Dafür könnte man finanzieren, was allen Kindern zugute kommt. Wir möchten, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird und dass das Existenzminimum der Kinder staatlich gewährleistet wird.

Das kann man auch machen, ohne den Familien erst mal Geld wegzunehmen, würde ich Ihnen als CDU-Mann antworten.

Das Problem ist doch, dass wir Familien zielgenauer fördern wollen. Das Ehegattensplitting mitsamt dem Hausfrauenmodell lenkt Familien eher in die Armut. Der Splittingvorteil ist oft so groß, dass eine Frau keinen Anreiz zur Erwerbstätigkeit hat - denn dann würde der Steuervorteil ja schmelzen. Wenn sie aber erst mal ein paar Jahre aus dem Beruf draußen ist, dann kommt sie kaum mehr zurück. Wollen wir wirklich mit der Steuerpolitik Familien arm halten?

Die Union möchte diese Möglichkeit offenbar behalten. Sie nennt das Wahlfreiheit.

Eine Frau, die einige Jahre daheim war, hat für den Rest ihres Lebens doch gar keine Wahlfreiheit mehr. Die Union legt Frauen also eher fest, als ihnen Wahlfreiheit zu gewähren. Man muss doch nach einer Familienphase wieder gut in den Beruf zurückkehren können. Genau das aber behindert das Ehegattensplitting.

Die SPD hat das Ehegattensplitting auch schon öfter abschaffen wollen. Passiert ist nichts.

Das ist wie bei den Gewerkschaften und der Union. Vom Hausfrauenmodell und dem Splittingvorteil profitieren die Männer, auf deren Konto der Steuervorteil meist landet. Und die haben die Mehrheit und die einflussreichen Posten. Sie stimmen die Frauen einfach nieder.

Dabei hat die Union eine Chefin.

Umso bedauerlicher ist es, dass Angela Merkel von ihrem ursprünglichen Kurs gegen das Betreuungsgeld abgewichen ist. Offenbar musste sie der männlichen Mehrheit ihrer Partei ein solches Zugeständnis machen.

Es gibt doch aber sicher auch Frauen, die das Modell Teilzeitkraft mit gut verdienendem Ehemann gut finden. Und deshalb das Ehegattensplitting verteidigen.

Wir denken deshalb auch über eine Art Bestandsschutz für diejenigen nach, die ihr Leben so eingerichtet haben. Aber es ist angesichts sinkender Familieneinkommen kein zukunftsweisendes Modell - und die Frauen in den Parteien wissen das. Wenn wir mehr Frauen im Bundestag hätten, wäre das Ehegattensplitting längst weg.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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