Schweizer Architekt über Stadien: "Die Stadt ist Zaungast"

Der Architekt des Züricher EM-Stadions Letzigrund spricht über sein Stadion und über das der Zukunft. Er hält nicht viel von den Arenen auf der grünen Wiese vor der Stadt.

Die Stadien der Zukunft sind in die Stadt integriert: Das Züricher Letzigrund-Stadion gehört zu den vier Schweizer EM-Arenen. Bild: ap

taz: Herr Consolascio, sind die VIP-Logen und Business-Seats der neue Trend in den Stadien?

Eraldo Consolascio: Leider ja, denn da wird das Geld gemacht. Die Fankultur ist nicht mehr das tragende Element in den Architekturentwürfen für die Stadien.

Das von Ihnen entworfene Züricher Stadion Letzigrund ist jedoch bewusst anders gestaltet als die deutschen Stadien, eine Art Gegenentwurf?

Der Letzigrund ist ein multifunktionales, multikulturelles Stadion. Es wurde für unterschiedliche Nutzungen konzipiert, also nicht nur für den Fußball. Es muss für die Leichtathletik genauso funktionieren wie für ein Rockkonzert. Wichtig war uns aber vor allem - und das ist der große Unterschied -, dass die Interessen der Bevölkerung in der Nachbarschaft des Stadions zur Geltung kommen - und nicht nur die Auflagen von so seltsamen Organisationen wie der Uefa oder der Fifa. Und gerade das machte die Gestaltung unseres Stadions besonders schwer. Es mussten eben sehr viele Interessen bedient werden.

Das klingt nach düsteren Zeiten gerade für den klassischen, nur wenig betuchten Fan.

Nicht ganz. Es gibt noch Spielräume. Wir hatten im Letzigrund zum Beispiel nur die von der Uefa geforderte Mindestanzahl von zwölf VIP-Logen eingeplant. Unser Stadion legt dafür mehr Wert auf eine offene Struktur. Offen für die Bevölkerung, die hier täglich von sieben Uhr bis Mitternacht von jeder Ecke aus in das Stadion reingehen, flanieren und Sport treiben kann. Man kann sich in der Woche auch einfach auf die Tribüne setzen, picknicken und den Sonnenuntergang genießen. Es ist sogar möglich, über eine kleine Rampe das Stadion zu durchschreiten, wenn man auf die andere Seite des Quartiers will. Die Stadt ist der Zaungast des Stadions. Und wer im Stadion ist, der ist gleichzeitig auch in der Stadt. Das Stadion gleicht einer begehbaren Skulptur und ist kein Topf mit einem Deckel drauf.

Wie sieht das Stadion der Zukunft aus?

Meiner Meinung nach werden die Stadien wieder in die Stadt zu den Menschen rücken. Das Stadion des neuen Typs wird nur noch mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar sein. Die riesigen Parkplatzflächen werden verschwinden.

Die Zeit der Stadien auf der grünen Wiese an der Peripherie der Städte ist also bald vorbei. Das sind doch nicht mehr als auswechselbare Konstrukte ohne Identität, Pilgerstätten für einmal die Woche. Doch eines bleibt: Stimmung allein kann ein Stadion nie machen. Das können nur die Fans.

Und welches ist ihr Lieblingsstadion?

Ein Stadion im brasilianischen Goiânia, das Estadio Serra Dourada, entworfen von Paulo Mendes da Rocha im Jahr 1973. Ein Besuch lohnt sich.

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