UN-Konferenz auf Bali: Chefsache Klimaschutz

Die Weltklimakonferenz ist ein großer Event mit bescheidener Tagesordnung. Es geht nicht um konkrete Ziele, allenfalls um einen Zeitplan für weitere Verhandlungen.

Schmelzendes Eis, ansteigende Meeresspiegel - Forscher warnen eindringlich vor den Folgen des Klimawandels. Bild: dpa

Die Erwartungen sind gewaltig. Ein Jahr lang haben die Wissenschaftler des Weltklimarats IPCC in mehreren Berichten das Ausmaß und die Auswirkungen des drohenden Klimawandels beschrieben - Meeresspiegelanstieg und Wüstenbildung, schmelzende Gletscher und Rückkehr von Krankheiten. Ökonomen wie der Brite Nicholas Stern haben die enormen finanziellen Folgen berechnet. Umweltverbände wie Unternehmen haben immer wieder international verbindliche Regeln zum Klimaschutz gefordert. Die Politik schließlich mahnte bei jeder Gelegenheit zum Handeln, beim G-8-Gipfel in Heiligendamm ebenso wie bei der UN-Vollversammlung in New York. Und nun ist es so weit: Am Montag beginnt auf der indonesischen Insel Bali die Weltklimakonferenz.

In seinem Klimabericht hat der Weltklimarat die zentralen Erkenntnisse zur Erderwärmung zusammengefasst. Sie sind die Grundlage für die UN-Klimakonferenz in Bali, die am Montag beginnt. Die 10.000 Delegierten aus 190 Staaten werden in Indonesien über den Kampf gegen den Klimawandel verhandeln. Dies sind die wichtigsten Punkte:

Seit 1970 hat der vom Menschen erzeugte Ausstoß von Treibhausgasen um 70 Prozent zugenommen. Die Konzentration des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid übersteigt die in den vergangenen 650.000 Jahren natürliche Menge bei weitem.

Die weltweite Durchschnittstemperatur wird in diesem Jahrhundert voraussichtlich um 1,1 bis zu 6,4 Grad Celsius zunehmen.

Der Meeresspiegel steigt in diesem Jahrhundert voraussichtlich um 18 bis 59 Zentimeter an.

Wenn der Temperaturanstieg mehr als 1,5 bis 2,5 Grad beträgt, sind 20 bis 30 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.

Das Risiko extremer Wetterereignisse steigt: Es wird mehr Überflutungen, Dürreperioden und Hitzewellen geben.

Einzigartige Biosysteme sind gefährdet: Nord- und Südpol, Hochgebirgsregionen und Korallenriffe.

Die Folgen des Klimawandels sind ungleich verteilt: Arme und alte Menschen leiden am stärksten darunter, ebenso die Länder am Äquator, die in Afrika ohnehin zu den ärmsten Staaten gehören. Am stärksten betroffen sind Afrika, die Arktis, kleine Inseln und die asiatischen Flussdeltas.

Ein Vorschlag ist es, den Temperaturanstieg auf 2,0 bis 2,4 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten zu beschränken. Dafür jedoch muss der Gesamtausstoß von Treibhausgasen ab 2015 sinken.

Die Kosten für den Kampf gegen den Klimawandel belaufen sich selbst bei den ehrgeizigsten Szenarien auf weniger als 0,12 Prozent des jährlichen weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Im teuersten Fall würden bis 2030 weniger als 3 Prozent aufgewendet.

Rund 10.000 Teilnehmer werden dort erwartet, Delegierte und Parlamentarier aus 190 Staaten, Lobbyisten aus Industrie, Wissenschaft und Umweltbewegung, Umweltminister, Staatschefs und mindestens 1.000 Journalisten. Ein Wahnsinns-Event.

Gemessen an der Erwartung, dass dort über die Zukunft des Planeten entschieden wird, ist es eher ernüchternd, was in Bali tatsächlich auf der Tagesordnung steht: Die Weltklima-Diplomatie verhandelt darüber, ob sie sich auf einen Fahrplan für weitere Verhandlungen einigen kann - und zwar für neue Klimaschutzregeln ab dem Jahr 2013.

Doch so zögerlich und langwierig ist dieser Zeitplan nun auch wieder nicht. Angesichts der bisherigen Erfahrungen ist er sogar recht ambitioniert, was selbst Umweltorganisationen wie Germanwatch einräumen. Vom ersten globalen Umweltgipfel in Rio de Janeiro, der 1992 den UN-Klimaprozess einleitete, vergingen fünf Jahre bis zur Klimakonferenz in Japan, die dem Kioto-Protokoll seinen Namen gab. Vor genau zehn Jahren wurden dort erstmals völkerrechtlich verbindliche Ziele für Industriestaaten festgelegt. Sieben weitere Jahre dauerte es, bis dieses UN-Protokoll tatsächlich in Kraft trat - erst dann war die Quote erreicht, auf die man sich in Kioto geeinigt hatte. Erst im Jahr 2005 hatten die erforderlichen 55 Prozent der Staaten, die zudem für 55 Prozent der Klimagase verantwortlich waren, das Vertragswerk ratifiziert.

Doch das mühsam erkämpfte Kioto-Protokoll war nur ein erster kleiner Schritt. Es schreibt den Industriestaaten vor, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2012 im Vergleich zu den Werten von 1990 im Schnitt um 5,2 Prozent zu reduzieren. Erst ein kleiner Teil davon ist erreicht, und auch das vor allem wegen des Zusammenbruchs der osteuropäischen Industrie. Die Europäische Union hatte von ihren versprochenen 8 Prozent bis 2005 gerade mal 1,5 Prozent geschafft. Global steigen die Emissionen weiter; nach Zahlen des IPCC betrug der Anstieg zwischen 1990 und 2004 etwa 25 Prozent.

Dieser Trend, da sind sich die Wissenschaftler einig, darf sich nicht mehr lange fortsetzen. Ein Temperaturanstieg um zwei Grad bis zum Jahr 2100 ist den UN-Wissenschaftlern zufolge der geringste Wert, der noch zu erreichen ist - und zugleich der höchste, der als gerade noch verkraftbar gilt. Doch um diese Grenze nicht zu überschreiten, müssen die weltweiten Emissionen spätestens ab 2015 sinken und bis zum Jahr 2050 um 85 Prozent zurückgegangen sein.

Damit eine Anschlussvereinbarung fürs Kioto-Protokoll 2013 starten kann, muss eine neue Vereinbarung spätestens im übernächsten Jahr unterzeichnet werden. Nur in diesem Fall kann sie von allen Ländern ratifiziert werden. Scheitert die Konferenz von Bali, ist der Zeitplan nicht mehr einzuhalten. "Wir müssen das Problem angehen, und zwar sofort", sagt der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Auch er hegt "tiefste Befürchtungen, dass das, was wir bisher tun, bei weitem nicht ausreicht".

Festgelegt werden soll in Bali das so genannte "Mandat" für die weiteren Verhandlungen. Einigt man sich auf das Zwei-Grad-Ziel? Gelingt es, konkrete Ziele für die Jahre 2020 und 2050 zu definieren? Wird es künftig Sanktionen für jene Staaten geben, die ihr Ziel verfehlen? Und gibt es einen Konsens darüber, dass sich alle Länder beteiligen - und wie die Lasten verteilt werden?

Vor allem an der letzten Frage waren die Verhandlungen im vergangenen Jahr in Nairobi gescheitert. Niemand wollte den ersten Schritt machen, jeder zeigte auf den anderen. Die USA und Australien wollten keinerlei Verpflichtungen übernehmen, solange nicht große Schwellenländer wie China und Indien einbezogen würden. Die Schwellenländer, die bislang von eigenen Reduktionen verschont sind, lehnten dies entschieden ab und verwiesen darauf, dass die Industriestaaten pro Kopf ein Vielfaches an Kohlendioxid ausstoßen. Und die Entwicklungsländer erwarteten finanzielle Unterstütztung und konkrete Schritte der Industrieländer, bevor sie sich beteiligten. Nicht nur der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel, der in der zweiten Woche zu den Verhandlungen reisen wird, fordert ein Ende dieser Taktiererei.

In Bali stehen die Chancen besser als in Nairobi. Nicht nur weil die öffentlichen Erwartungen zugenommen haben und der Klimaschutz in vielen Ländern inzwischen Chefsache ist. Sondern auch, weil die Europäische Union mittlerweile tatsächlich eine Vorreiterrolle einnimmt. Mit ihrer Zusage, die Emissionen bis 2020 einseitig um 20 Prozent zu senken - oder, für den Fall einer Einigung, gar um 30 Prozent - hat sie für Bewegung gesorgt.

Zudem bröckelt die Front der Totalverweigerer unter den Industriestaaten. In Australien ist Premierminister John Howard, der den Klimawandel trotz Jahrhundertdürre im eigenen Land beharrlich ignorierte, gerade abgewählt worden. Nach Bali wird sein designierter Nachfolger Kevin Rudd reisen, der bereits angekündigt hat, das Kioto-Protokoll zu ratifizieren und weitere Verhandlungen nicht zu blockieren. Und im nächsten Jahr wird auch George W. Bush nicht mehr Präsident der USA sein. Egal wer auf ihn folgt: Eine Einbindung des noch immer größten Klimasünders USA in die weiteren Verhandlungen ist dann realistisch.

Vielleicht trägt auch der Ort der Tagung zu einer Einigung bei. Die tropische Urlaubsinsel Bali, bekannt als "Insel der Götter", gilt als Sinnbild für die Harmonie zwischen Mensch und Natur. Und auch die Bedrohung ist in Indonesien mit seinen 17.000 Inseln und 80.000 Kilometern Küste zu erleben. Nicht nur in Form von mehr Dürren, vor denen der WWF gerade gewarnt hat. Durch Naturkatastrophen und Umweltzerstörung hat der Staat bereits 24 Inseln ans Meer verloren, berichtete Meeresminister Freddy Numberi in dieser Woche. Ohne Gegenmaßnahmen, so warnte er, könnten bis zum Jahr 2030 rund 2.000 weitere verschwinden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.