Reaktionärer Paar-Ratgeber: Chancen für kleine Männer

Singlefrauen mit Hochschulabschluss müssen nur ihr "archaisches Beuteschema" überwinden - dann finden sie einen Mann. Behauptet ein Ratgeber. Auweia.

Kleine Männer ganz groß. Bild: dpa

Ob die Sache stimmt, weiß ja keine. Aber das Gerücht wird gerne schaudernd weitergegeben - dass nämlich beruflich erfolgreiche Frauen oft keinen Mann finden und deshalb einsam, kinderlos und unglücklich sind. Zwar gibt es auch den Gegenbeweis nicht, dass tolle Männer auf Hartz-IV-Empfängerinnen fliegen, aber egal. Die neueste Lieferung zum Thema kommt von einem Münchner Psychotherapeuten. "Überlisten Sie Ihr Beuteschema. Warum immer mehr Frauen keinen Partner finden und was sie dagegen tun können", heißt der Ratgeber von "Dr. Stefan Woinoff". Das Beuteschema im Hirn der Karrierefrau sei einer der Haupthindernisse auf der Suche nach dem passenden Partner, so Woinoffs These.

Frauen springen angeblich vor allem auf Männer an, die hochgewachsen seien - archaische Jäger! - und einen gleich hohen oder noch höheren sozialen Status innehätten als sie selbst. Bei den Karrierefrauen werde die Auswahl daher knapp, da es so viele Chefärzte und Topmanager nicht gebe, rechnet Woinoff vor. Zumal diese erfolgreichen Männer gerne zu Frauen griffen, die jünger, sozial unterlegen und anpassungsfähiger seien.

Woinoff bietet den Frauen nun einen grob gezimmerten Selbstversuch an, um das seiner Meinung nach vorhandene "archaische Beuteschema" im weiblichen Hirn zu überlisten und sich auch Männern zu öffnen, die sie sonst übersehen hätten. Ein potenzieller Partner wird dabei nach einem Drei-Kategorien-Schema bewertet. In der ersten Kategorie, die das "archaische Beuteschema" abdeckt, zählen große Statur, finanzielle Unabhängigkeit, markante Gesichtszüge, das bekannte Programm.

In der zweiten Kategorie hat das "Emanzipierte Ich" der Frau das Wort: Hier gilt, ob der Mann verständnisvoll ist, sensibel und der Gleichberechtigung fähig. In der dritten Kategorie schließlich werden Punkte je nach den "individuellen Wünschen" vergeben: Ist es wichtig, dass der Mann intellektuell etwas drauf hat, dass er Humor besitzt oder sozial veranlagt ist? Am Ende werden alle Punkte zusammengerechnet.

Männer, die also in der ersten Kategorie wenig punkten, etwa zierlicher gewachsen sind, können dies laut Woinoff unter Umständen in der zweiten und dritten Kategorie ausgleichen - etwa durch Kochkünste oder verbalen Unterhaltungswert. "Der arbeitslose Kunsthistoriker erzielte eine deutlich höhere Gesamtpunktzahl als der gut situierte Betriebswirt, auch wenn er in der Kategorie 'archaisches Beuteschema' schlecht abgeschnitten und in der wichtigen Kategorie 'finanziell unabhängig' 0 Punkte erhalten hatte", resümiert der Münchner Therapeut.

Betriebswirt gegen arbeitslosen Kunsthistoriker! Das zeigt das Problem: Wer Klischees bekämpfen will, landet unweigerlich bei neuen Gemeinplätzen. Frauen wollen vielleicht nicht unbedingt die Wahl haben müssen zwischen dauergestresstem Betriebsleiter oder sensibler ABM-Kraft als Partner. Und das Leben ist ja auch nicht so.

Es soll Frauen geben, die es ganz angenehm finden, nicht viel kleiner zu sein als der Mann, weil man sich dann direkter in die Augen schauen kann. Nicht jede Frau möchte sich zudem an einen Prominenten hängen, der schon die Dritte heimlich einplant. Ganz abgesehen davon, dass manche Frauen auch selber gut Geld verdienen und keinen Workaholic brauchen mit Vorstandsgehalt.

Ratgeber sind immer auch reaktionär. Einen Absturz erleidet auch Woinoff, wenn er irgendwann den Frauen rät, sich doch im jungen Studentinnenalter einen Partner fürs Leben zu angeln, weil sie sich dann auf dem "Höhepunkt ihres Marktwertes" befänden.

In einer Sache hat der Autor allerdings recht: Sich um die Männerklischees im eigenen Kopf zu kümmern, mit ihnen vielleicht auch spielerisch umzugehen, das könnte eine ehrenvolle, feministische Aufgabe sein - die von den Frauen noch zu wenig wahrgenommen wird.

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