Verdacht auf deutsche Schmiergeldzahlungen im Irak: Korruptionsverdacht gegen 57 Firmen

Bis 2003 sollen Dutzende deutsche Firmen Iraks Ex-Diktator Saddam geschmiert haben, um Aufträge zu bekommen. Doch die Bundesregierung bleibt untätig.

Interesse an irakischen Erdöl-Einnahmen: Gebäude der B. Braun Melsungen AG Bild: dpa

Die Bundesregierung soll Unternehmen zu sozialem und ökologischem Wohlverhalten zwingen, haben Linke und Grüne gestern im Bundestag gefordert. Die beiden Oppositionsfraktionen wollen die Vergabe öffentlicher Aufträge reformieren. "Die Unternehmen müssten dann beispielsweise die Tarifverträge einhalten, ausreichend Ausbildungsplätze anbieten sowie die grundlegenden Menschen- und Arbeitsrechte bei ihren Zulieferern durchsetzen", sagte Ulla Lötzer von der Linksfraktion.

Außerdem solle die Korruption erschwert werden. Verstießen die Unternehmen gegen diese Kriterien, würden sie von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen. "SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering muss Stellung beziehen", sagte Christine Scheel, stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen. "Will er wirklich eine sozialere und umweltfreundlichere Wirtschaft, oder will er es nicht?" Die Parlamentsabstimmung über die drei Anträge fand nach Redaktionsschluss statt.

Schmiergeld und Korruption sind ganz schlimm - diese Erklärung hat ihren festen Platz in Politikerreden. Und doch bleibt die Bundesregierung untätig, wenn es um konkrete Maßnahmen gegen Bestechung geht. Der aktuelle Fall: Das CSU-geführte Bundeswirtschaftsministerium hat eine Beschwerde der Antikorruptionsorganisation Transparency International gegen 57 deutsche Unternehmen abgelehnt. Die Firmen, darunter Siemens, Daimler und Linde, stehen im Verdacht, Schmiergeld an den inzwischen hingerichteten irakischen Diktator Saddam Hussein gezahlt zu haben.

Nach Recherchen der Vereinten Nationen haben zwischen 1996 und 2003 rund 2.300 Unternehmen weltweit illegale Zahlungen an Saddam Hussein geleistet. Die Geschäfte funktionierten so: Im Rahmen des Programms "Öl für Lebensmittel" durfte die irakische Regierung bestimmte Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl für den Import von Lebensmitteln und Medizinprodukten verwenden. Daran Interesse hatten viele Unternehmen - aus Deutschland auch Braun Melsungen, Fresenius Medical Care und Schering. Um in den Genuss eines Auftrags zu kommen, war es damals mehr oder weniger üblich, 10 Prozent der Auftragssumme - umschrieben als "Transportkosten" oder Ähnliches - auf die Konten des irakischen Diktators zu überweisen. 57 deutsche Unternehmen sollen insgesamt 11,9 Millionen Euro gezahlt haben.

Nach der Veröffentlichung des UN-Korruptionsbericht 2005 begannen einige Staatsanwaltschaften zu ermitteln. Außerdem reichte Transparency seine Beschwerde im Juni dieses Jahres beim Wirtschaftsministerium ein. Als Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreibt das Ministerium eine "Kontaktstelle", die die Einhaltung der "OECD-Leitsätze für transnationale Unternehmen" überprüft. Die Leitsätze sind ein Katalog von Empfehlungen für das zivilisierte Verhalten von Konzernen. Die Manager sollen unter anderem darauf achten, dass es in ihren Unternehmen keine Kinderarbeit gibt, die Beschäftigten Tarifverträge abschließen können und Korruption unterbunden wird. Transparency wirft den 57 deutschen Unternehmen nun vor, mit ihren mutmaßlichen Zahlungen an Saddam Hussein gegen die OECD-Leitsätze verstoßen zu haben.

Die Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) freilich weisen die Beschwerde zurück. Das Ablehnungsschreiben vom 31. August 2007, das der taz vorliegt, ist erst jetzt bekannt geworden. "Lassen Sie mich Ihnen versichern", schreibt Regierungsdirektor Tillmann Rudolf Braun, "dass die Bundesregierung sich seit Jahren sehr intensiv bemüht, Unternehmen für ihre Pflichten bei der Vermeidung von Korruption zu sensibilisieren." Die Beschwerde könne man aber nicht annehmen, weil die Unternehmen mit dem Irak nur Handel getrieben, nicht aber dort investiert hätten. Die Leitsätze, so die Position des Ministeriums, bezögen sich nur auf Auslandinvestitionen. Außerdem sei ein Beschwerdeverfahren unzulässig, wenn gleichzeitig Staatsanwaltschaften juristisch ermittelten.

"Diese Einschränkungen sind nicht akzeptabel", sagte gestern Shirley van Buiren von Transparency. Im Falle der Sportartikelfirma Adidas habe die Kontaktstelle selbst schon ein Verfahren geführt, bei dem es um die Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben, also Handel, gegangen sei. Und weil die Kontaktstelle nur die Einhaltung der OECD-Leitsätze, nicht aber der Gesetze überprüfe, würden die juristischen Ermittlungen nicht gestört.

Der entscheidende Punkt dürfte sein: Im Verfahren beim Wirtschaftsministerium müssten sich die Unternehmen ernsthaft mit den Vorwürfen ihrer Kritiker auseinandersetzen. Weil aus der eigentlich geschlossenen Verhandlung immer etwas nach außen dringt, bekommt die Angelegenheit eine öffentliche Tragweite und Beachtung, die den Firmen nicht lieb ist. Außerdem könnte es theoretisch auch passieren, dass das Ministerium den Kritikern recht gibt. Indem Glos Mitarbeiter die Beschwerde zurückweisen, versuchen sie den Unternehmen die schmerzhafte öffentliche Auseinandersetzung zu ersparen.

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