Sportwetten & Machenschaften im Tennis: Mafia am Centre Court

Spieler berichten von dubiosen Gestalten die Geld für Niederlagen bieten. Wettanbieter arbeiten mit Spielervereinigungen zusammen und melden Unregelmäßigkeiten bei ungewöhnlich hohen Einsätzen.

Spitzenspieler mit Hang zu unerwarteten Niederlagen: Der Russe Nikolai Dawidenko steht unter Beobachtung. Bild: dpa

Da der Mensch spielerisch veranlagt ist, wettet er gern. Das ist eine anthropologische Konstante. Zum Wettfex wird der homo ludens, wenn er den Ausgang der Wetten kennt. Das verspricht satte und sichere Gewinne. Der Tennisprofi ist davon nicht ausgenommen. Zwar verdient er in seinem Sport exorbitante Summen, aber warum sollte er sich nicht gegen eine Erstrundenniederlage absichern, indem er gegen sich wettet - oder Insiderinformationen über eine Verletzung, eine Unpässlichkeit weitergibt an Dritte, die mit dieser heißen Info ihr Unwesen im Internet treiben, etwa auf der Seite des Wettanbieters betfair.com. Um die Profis herum schwirren diverse Schlägerbespanner, Physiotherapeuten, Einflüsterer und Trainer, die als Handlanger für ein mafiöses Netzwerk infrage kommen. Diese Strukturen wollen die Spielervereinigungen ATP (Männer), WTA (Frauen) und der internationale Verband ITF nun unter die Lupe nehmen. "Tennis ist verwundbar", sagt Bill Babcock, ITF-Generalsekretär.

Auslöser des Ganzen ist ein Spiel des Russen Nikolai Dawidenko gewesen, der Anfang August beim Turnier im polnischen Sopot absichtlich gegen den Außenseiter Martin Arguello verloren haben soll. Der hoch favorisierte Russe lag vorn, hatte den ersten Satz gewonnen, den zweiten verlor er, im dritten gab er auf. Betfair registrierte nach dem ersten Satz einen Zustrom von Geld, das auf Sieg Arguello gesetzt wurde - Indiz für ein manipuliertes Match. Die Quote von 1:1,29 auf einen Sieg des damaligen Weltranglisten-Vierten veränderte sich auf 1:4,29, obwohl Dawidenko doch den ersten Satz gewonnen hatte. Betfair annullierte die Wette. "Das läuft wie bei der Börsenaufsicht", sagt Peter Reinhardt, Deutschland-Chef von betfair. "Wir haben ja bestimmte Muster. Diese Muster können wir unsichtbar über unseren Markt drüberlegen", sagt er, "und wenn es eine Abweichung gibt, dann geht die rote Lampe an."

Seit 2003 besteht zwischen betfair und der ATP eine Vereinbarung, ein sogenanntes Memorandum of Understanding. Der Wettanbieter erklärt sich bereit, "Informationen über Nutzer - einschließlich Namen und gezahlte Geldbeträge - zu liefern, wenn bei diesen verdächtige Wettaktivitäten beobachtet werden", heißt es darin. Mittlerweile hat die ATP 140 auffällige Partien ausgemacht und auf einer Liste verzeichnet, die es bis zum Westdeutschen Rundfunk (WDR) geschafft hat, aber noch nicht zum Deutschen Tennis-Bund (DTB). Dort sagt ein Sprecher, man solle vorsichtig mit Vorverurteilungen sein, auch sei Dawidenkos Entgegnung ("Ich habe noch nie in meinem Leben gewettet und weiß auch nicht, wie das geht") glaubwürdig. "Griechenland ist ja auch Europameister geworden. Wer hätte denn das erwartet!?"

In der Tennisszene setzt man sich differenzierter mit dem Problem von Spielabsprachen auseinander. Mehrere Spieler sagen, dass sie Bescheid wissen, ja, dass sie selbst schon einmal von sinistren Gestalten angesprochen worden seien, ob in diesem oder jenen Spiel nicht etwas gehe. Der Tscheche Tomás Berdych spricht von "Zockern", die Profis bedrängt hätten, "vor allem in Russland". Michaël Llodra (Frankreich) und Paul Goldstein (USA), Andy Murray (Großbritannien), Novak Djokovic (Serbien) und James Blake (USA) oder der Österreicher Werner Eschauer gewähren Einblick ins Gebaren der Manipulateure, zu denen übrigens auch ein gewisser Ante Sapina gehörte - glaubt man der Aussage von Ex-Schiri Robert Hoyzer vorm Berliner Landgericht. Sapina soll kroatische Spieler angesprochen und sein Bruder Filip einmal gesagt haben, dass Tenniswetten ungleich einfacher zu manipulieren seien als Fußballwetten.

Von "Zockern" spricht auch der frühere Davis-Cup-Held Bernd Karbacher, einer der Sprecher von "Tennis Germany", eines informellen Zusammenschlusses, in dem 25 deutsche Tennisprofis vernetzt sind. Jede Bewegung eines Spielers, vor während und nach einem Match werde genaustens registriert, bevor gewettet wird, sagt er. Von mafiösen Strukturen geht Karbacher dennoch nicht aus. Regelmäßig absichtlich zu verlieren, das könne sich eh kein Spieler leisten. "Dann fehlen die Weltranglistenpunkte und er ist gar nicht mehr dabei." Die Einlassungen eines deutschen Profis, der in der WDR-Sendung "sport inside" behauptet hatte, von einem Spiel zu wissen, das manipuliert worden sei und auf das auch aus dem Umfeld der Profis Wetten abgeschlossen worden seien, bezeichnete er als "ganz schwach". Der Spieler solle sich an die ATP wenden und genau sagen, "wer wo was gemacht hat". Karbacher setzt auf die abschreckende Wirkung eines Pönalsystems für manipulierende Profis. "Dann gibt es eine Sperre und der Spieler ist erst einmal weg vom Fenster."

Die ATP hat inzwischen eine Telefonhotline eingerichtet, wo sich betroffene Profis ausweinen können. Bei nachgewiesener Verstrickung in einen Wettskandal droht eine Geldstrafe von 100.000 Dollar sowie eine dreijährige Sperre. Außerdem soll eine "Tennis Integrity Unit" den Kampf gegen Korruption im weißen Sport aufnehmen. So durfte beispielsweise Michael Francese, früheres Mitglied der Ostküstenmafia, vor der versammelten Tenniselite in New York darüber dozieren, wie sich kriminelle Banden an den gemeinen Profi heranschleichen, um ihn für böse Dinge zu gewinnen.

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