KP-Parteitag in China: Zehn Generationen zum Sozialismus

Zum Beginn des 17. Parteitages inszeniert die KP ein harmonisches Bild. Generalsekretär Hu Jintao ruft in steifem Parteichinesisch zur sozial ausgewogeneren Entwicklung auf.

Parteichinesisch und langfristige Perspektiven - für manchen Delegierten ermüdend. Bild: dpa

PEKING taz Über dem Platz des Himmlischen Friedens flattern in sanfter Brise die Fahnen der Kommunistischen Partei. Sie tragen kein Emblem, sind nur rot. Genauso rot wie im Norden des Platzes die dicken Mauern der Verbotenen Stadt. Friedlich und harmonisch soll alles wirken am frühen Morgen vor der Eröffnung des Parteitags der Kommunisten. "Findet nicht gerade der 16. Parteitag statt?", fragt eine junge Frau in Freizeitkleidung aus der mandschurischen Provinz Jilin ihren Ehemann. "Der 17. Parteitag", korrigiert der Mann, ein Stahlarbeiter mit breitem, offenem Gesicht. Die beiden besuchen Peking als Touristen. Ob auf dem Parteitag etwas Wichtiges entschieden werde, will der Reporter von ihnen wissen. "Bestimmt", antwortet die Frau, die arbeitslos ist, "etwas, was das Leben der Bevölkerung verbessern wird." Ihr Mann nickt.

Genauso stellt sich die Partei an diesem Tag ihr Volk vor: brav und zufrieden. 92 Prozent der Bevölkerung halten die chinesische Gesellschaft heute für "sicher", "sehr sicher" oder "im Wesentlichen sicher" meldet die Pekinger Neue Zeitung am Morgen die Ergebnisse einer Umfrage.

Ob der Eindruck täuscht? War der gleiche Platz nicht vor 18 Jahren Ort eines Massakers? Immerhin muss sich die Polizei auf dem Platz schon frühmorgens um elf Demonstranten kümmern, die den Delegierten des Parteitages Beschwerdebriefe überreichen wollen. Aber die Demonstranten sind bald festgenommen und die über zweitausend Delegierten strömen ungestört in die Große Halle des Volkes, dem stalinistischen Bau im Westen des Platzes, in dem alle großen Parteitagungen stattfinden. Auch Lu Yimin, der Parteisekretär der Küstenstadt Nantong, die zur ökologischen Modellstadt ernannt wurde, betritt die Halle. Wie alle sei er froh und aufgeregt, sagt Lu. Lu trägt jetzt einen vornehmen dunkelgrauen Anzug. In Nantong war er immer viel lockerer angezogen. Doch die Delegierten sollen ernst- und gewissenhaft wirken. Manche von ihnen geben Interviews vor der Halle und reden das Gleiche, was am Morgen in der Parteizeitung steht.

Ein bisschen unheimlich wirkt diese durchorganisierte Harmonie. Besonders in dem Moment, als die Militärkapelle in der Halle den Begrüßungsmarsch spielt und alle Politbüromitglieder auf den Podiumsbänken munter rhythmisch in die Hände klatschen. Es folgt die Nationalhymne und eine Schweigeminute für gestorbene Revolutionäre. Dann tritt Generalsekretär Hu Jintao vor ein riesiges Blumengesteck aus gelben Chrysanthemen, rosa Lilien und roten Weihnachtssternen. Und wäre die Atmosphäre im Saal nicht so steif und sein Parteichinesisch bisweilen nicht so unverständlich, dann könnte man Hu eine Weile lang ganz gut zuhören. "Die Bevölkerung hat eine relativ guten Lebensstandard erreicht", sagt er in seinem Rechenschaftsbericht, "aber der Trend zu einer ungleichen Einkommensverteilung ist nicht gebrochen." Er sagt, dass bisherige Fortschritte "auf unmäßig hohe Kosten der Ressourcen und der Umwelt" erzielt wurden.

Die Fragen der sozialen Ungerechtigkeit und einer nicht nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung ziehen sich - in vielen Lobeshymnen auf die Partei versteckt - als kritische roten Fäden durch seine Rede. Das hat es vor Hu nicht gegeben. Kein KP-Chef vor ihm ließ grundsätzliche Kritik an der wirtschaftlichen Entwicklung auf einem Parteitag anklingen. Doch der Kritik fehlt jede Schärfe. Sie verliert sich in Kampfaufrufen an die Genossen. Mehr als zehn Generationen lang müsse man noch für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung kämpfen, fordert Hu. Da geht jedem Zuhörer die Puste aus.

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