Ausstellung "Make Death Listen": Szenen der Adoleszenz

Der aktuelle Kunst-Import aus Wien: das Künstlerduo Muntean/Rosenblum macht in Leipzig mit "Make Death Listen" Max Klinger alle Ehre.

"Untitled (We all have our vanity...)" Bild: arndt&partner,berlin/zurich

Schlanke, meist spärlich bekleidete Idealgestalten versammeln sich auf der querformatigen Leinwand. Die Farbpalette ist pastellig und stumpf. Gelegentlich nehmen die Figuren Körperkontakt auf, wirken dabei jedoch seltsam abwesend und ihre pathetischen Gesten eher ungelenk. Soviel Leb- und Beziehungslosigkeit ödet die BetrachterInnen alsbald an und daher wundert es nicht, dass die Kritik tadelt: "Das Gemälde ist ein grosses Bild, aber kein grosses Malwerk."

Nein, die Kritik gilt nicht einem Werk des österreichischen Malerduos Muntean/Rosenblum, dem die Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig gerade eine Ausstellung widmet - obwohl sich auch dort matte, halbwüchsige Modells in konsequenter Gleichgültigkeit tummeln, einstudiertes akademisches Pathos inklusive. Es geht um das einst umstrittene Gemälde "Christus im Olymp", das Max Klinger (1857-1920) 1897 fertig stellte und das sich heute im Museum für bildende Künste in Leipzig befindet. 1938 kam es aus dem Bestand der Wiener Staatsgalerie als Dauerleihgabe hierher und erfreut sich besonders im noch andauernden Max-Klinger-Jahr 2007 und aufgrund seiner derzeitigen öffentlichen Restaurierung großer Aufmerksamkeit.

"Shroud", 2006 Bild: arndt&partner,berlin/zuric

Der aktuelle Wien-Import nun, Muntean/Rosenblum-Soloschau "Make Death Listen", nimmt sich wie ein unfreiwilliger Beitrag zum Klingerjubiläum aus. Als seien sie seine geistigen Urenkel bedienen sich Adi Rosenblum und Markus Muntean heute, ganz wie Klinger um 1900, forsch aus dem Theaterfundus der christlichen Ikonographie. Schon Klinger kombinierte in einer Methode vorweggenommenem Samplings traditionelle Posen biblischen oder anderweitig mythologischen Inhalts. In dieser Weise schmuggelte er auch die aufkommende kapitalistische Moderne ins Bild: "Arbeit = Wohlstand = Schönheit" (1918) heißt ein Wandbild Klingers in Chemnitz, das die antiken Musen einigermaßen ungeschickt in eine modernen Werftkulisse platziert.

Ein ähnliches Kontrastprogramm von makellosen Körpern in einer (nun postindustriellen Endzeitszenerie ist auch bei Muntean/Rosenblum zu beobachten. Anders als Klingers (Kunst-)Geschichtsklitterungen billigt man ihnen reflexive Ironie zu. Allerdings reichen ihnen dafür schon Verfremdungseffekte wie der weiße Polaroidrand um die Gemälde, die Unvollkommenheit der Pinselstriche und oder die collagierten Bildkommentare aus.

Der Verdacht, dass sich Adi Rosenblum und Markus Muntean zunehmend selbst wie Narziss in den Oberflächen ihrer schönen Scheinwelten verlieren, drängt sich beim Defilee durch ihre Bildwelten immer stärker auf. Die monotone Wiederholung von klassischen Gruppenstudien und von idealisierten Bleistiftporträts spielt mit Motiven wie dem Knaben in Boxershorts, der sich wie gekreuzigt an einem Baum fest hält während sich seine teilnahmslosen Gefährten in anatomisch interessanten Haltungen gruppieren; oder dem einer Gruppe gelangweilter, langgliedriger Jugendlicher beim Reifenschaukeln.

Darunter ist wie stets ein ebenso langwieriger wie bedeutungschwangerer Bildtitel zu lesen: "They are not hungering for immortality. They will not have to prove anything by dying anymore than they had to prove anything in living. For them death is just the great equaliser."

Störungsfrei und weitgehend ungefiltert kommt so die Verklärung von klischeehafter, fatalistischer Jugendkultur und vermeintlich geheimnisvoller Oberfläche daher. Bestimmt lassen sich mit dem Werkzeugkasten der postmodernen Kunstinterpretation kulturkritische Ansätze entdecken, etwa die subversive Affirmation von Werbemechanismen oder die strategische Identifikation mit den Aggressor, der hier die Konsumkultur ist.

Dabei allerdings stören die bedeutungsschweren Chorälen und Renaissancekompositionen, von denen die Präsentation musikalisch untermalt wird. Zwar sind sie nicht primär als Begleitmedium für die Flachware gedacht, sondern dringen aus zwei Videokabinetten in den Raum. Dennoch funktioniert die Musik wie eine suggestive Bedeutungserhöhung der Malerei. Mit seinem Faible für Das Gesamtkunstwerk hätte Klinger diesen Effekt gewiss gemocht und die Lautsprecher vielleicht im Skulpturenrahmen seines "Christus im Olymp" versteckt.

Noch besser hätten ihm wahrscheinlich die beiden Videos von Muntean/Rosenblum gefallen. Hier finden die Kernthemen des Teams, kommerzgesteuertes, vermeintlich perspektivloses Jugendleben und das Erbe der europäischen Kunstgeschichte am Überzeugendsten zusammen. In "Shroud" (2006) stellen Adoleszente und ein Weißbart elegische Szenen zwischen Mantegna, Caravaggio und Rembrandt nach: ein Identifikationsspiel für Kunsthistoriker und Cineasten, das gleichzeitig die Anfälligkeiten für mediale Manipulationen entlarvt.

Als Vorlage für das filmische Tableau vivant "Disco" (2005) dient schließlich Theodore Géricaults grausiges Historiengemälde "Floß der Medusa" (1819). Ineinander verschlungene Körper zitieren im Ambiente einer verlassenen Diskothek das Bild der Katastrophe. Im fahlen Morgenlicht sinkt eine Putzfrau ergriffen davor zu Boden. Mit "Disco" geht das Muntean/Rosenblumsche Sampling dann endlich unter die Haut und demonstriert, wie aktuell und erschütternd vermeintlich abgegriffene Pathosformeln noch immer funktionieren können. In diesem Moment lassen sie Max Klinger und seinen "Christus im Olymp" dann doch hinter sich.

bis 7. Oktober, Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig, Katalog: JRP/Ringier Verlag Zürich, 40,- Eur

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.