Football-Skandal: Geheime Zeichen auf dem Monitor

Die US-Amerikaner genießen einen Skandal, der in die Geschichte der NFL eingehen wird. Mit Kameras spionierten die New England Patriots ihre Gegner aus.

Spygate, Videogate, Cameragate - ein Skandal erschüttert die NFL. Bild: AP

Noch ist die Namensgebung nicht abgeschlossen. Cameragate nennen es die einen, Spygate die anderen, Videogate die nächsten. Wie das Kindchen dereinst auch immer heißen mag, eins steht immerhin jetzt schon fest: Die amerikanische Sport-Öffentlichkeit hat momentan genüsslich einen Skandal zu verdauen, der zweifellos in die Geschichte der National Football League (NFL) eingehen wird.

NFL-Chef Roger Goodell verdonnerte die New England Patriots, mit drei Super-Bowl-Siegen in den letzten sechs Jahren der Vorzeige-Klub der Liga, zu einer Strafe von 250.000 Dollar. Zudem werden die Möglichkeiten des Teams, beim kommenden Draft auf Talente zuzugreifen, eingeschränkt. Der Anlass für die harsche Bestrafung: Ein Mitarbeiter der Patriots war am ersten Spieltag dabei erwischt worden, wie er die Trainer der New York Jets filmte, die die Spielzüge an die Verteidigung durchgaben. Der Verdacht: Die Patriots versuchten verbotenerweise die Handzeichen des Gegners und damit auch dessen Taktik zu entschlüsseln - ein nicht zu überschätzender Vorteil im Schach auf dem Rasen. Die NFL will nun die gesamte Videobibliothek der Patriots einsehen und behält sich weitere Konsequenzen vor.

Im Zentrum des Skandals steht Bill Belichick, ebenso genialischer wie grummeliger Cheftrainer der Patriots. Der als überragender Football- Stratege seiner Generation gefeierte, aber auch als unangenehmer Geheimniskrämer verschriene 55-Jährige wurde zusätzlich mit einer 500.000-Dollar-Strafe belegt und hat sich entschuldigt - allerdings so kryptisch, dass niemand genau weiß für was.

Kritiker stellen nun nicht nur den erfolgreichen Saisonstart der noch ungeschlagenen Patriots, sondern die gesamten Erfolge der Belichick-Ära in Frage. Jede Mannschaft, die in den letzten Jahren gegen New England verloren hat, und das waren so ziemlich alle, analysiert noch einmal die Niederlagen. Und jeder zweite Profi weiß plötzlich von einem Spiel zu berichten, in dem es schien, als seien die Patriots vor jedem Spielzug genauestens über die Strategie informiert gewesen. Der Erfolg kennt bekanntlich viele Neider, aber tatsächlich wurde der Klub bereits einmal verwarnt: Schon im November fiel ein filmender Patriots-Angestellter beim Spiel in Green Bay auf.

Im Gegenzug fragen sich die Fans der Patriots - nicht ganz zu Unrecht -, wo denn der Unterschied ist, wenn jemand statt Fernglas und Bleistift eine Videokamera zu Hilfe nimmt, um die Zeichensprache des Gegners zu entschlüsseln. Und, das beliebteste Argument: Die anderen machen es doch auch. So unwahrscheinlich ist das tatsächlich nicht, schließlich gehört Kontrollwahn zum unverzichtbaren Rüstzeug eines NFL-Chefcoaches.

Welche Wellen Spygate schlägt, lässt sich auch daran ablesen, dass es bereits eine Verschwörungstheorie zum Skandal gibt. Derzufolge hat Belichick selbst den Kameramann instruiert, sich erwischen zu lassen, und die Bestrafung provoziert, um leichter eine motivierende Wagenburgmentalität im eigenen Lager errichten zu können. Selbst wenn sie nicht geplant war, funktioniert die Strategie prächtig: Im letzten Spiel wurden die ebenfalls als Titelfavoriten in die Saison gegangenen San Diego Chargers mit 38:14 abgefertigt. "Das war ein Sieg für alle früheren und jetzigen Patriots und für Coach Belichick", dampfte Verteidigungsspezialist Tedy Bruschi nach dem Spiel.

Dank der prächtigen Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Stimmung im Team stimmt auch die Chemie zwischen den altgedienten Spielern und den kostspieligen Neuverpflichtungen. Selbst Randy Moss, hochtalentierter, pfeilschneller, aber zu demonstrativer Faulheit neigender Wide Receiver, gibt sich als geläuter- ter Musterprofi, seit er das Trikot der Patriots übergestreift hat. So sind und bleiben die New England Patriots trotz - oder womöglich gerade wegen - Cameragate die großen Super-Bowl-Favoriten.

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