Kolumne Ökosex: Angenehme Fahrt, liebe "FAZ"

Das variable Ökosex-Tempolimit versöhnt Umwelt und Autokultur: Wer weniger CO2 ausstößt, darf schneller fahren.

Der deutsche Motorjournalismus muss zum TÜV. Das hatte Ökosex vor vierzehn Tagen gefordert. Aus gegebenem Anlass muss ich heute darauf zurückkommen. Ist es doch die kulturelle Blockade, die uns im Autobereich den Weg ins Nirvana der solaren Effizienzrevolution verstellt.

Um klarzumachen, was ich meine, zitierte ich einen Beitrag aus FAZ.net: "Der Durchschnittsverbrauch von 15,9 Liter Super Plus ist angesichts der Fahrleistungen zu tolerieren, der Tank erscheint mit 75 Liter Volumen aber knapp", schreibt Wolfgang Peters da über den neuen Audi R8. Denken Sie über diesen Satz mal nach. Er sagt uns, dass dieser R8 offenbar eine lächerliche Schüssel mit absurd hoher Motorleistung ist. Ein Rennwagen, der auf einer normalen Straße nix verloren hat. FAZ.net ist anderer Meinung: "Der Hersteller verspricht 301 km/h, wir hatten keine Gelegenheit, diese Angabe zu prüfen. Aber die Art und Weise, wie der R8 jenseits von 260 oder 270 km/h beschleunigte, lassen keinen Zweifel zu." Und nun kommt es: "Als recht angenehme Reisegeschwindigkeit darf man 230 bis 240 km/h einplanen, damit kommt man auf freier Strecke sehr zügig voran, und weder Fahrzeug noch Fahrer sind überfordert."

Ich habe das zu Hause den Kindern vorgelesen. Das Gelächter war groß. 230km/h. Angenehme Reisegeschwindigkeit! Ich fahre - wie öfter erwähnt - mit dem Ökosexmobil immer 117km/h. Wenn da also so ein FAZ-Tester mit jenseits von 260km/h auffährt, dann wirds für meine Kinder eng. Das ist eine komplett sachliche Überlegung und hat mit Moral nichts zu tun. Wir wären alle mausetot, und das wäre einfach unangenehm. Und beim Begräbnis würden die Autokritiker im Familienkreis nochmals darauf hinweisen, sie hätten ja schon immer gesagt, dass mein Kleinwagen mit Blick auf die Kinder kriminell unsicher sei. Es stimmt: In einem VW Touareg hätten wir mehr Überlebenschancen gehabt, aber da sieht man wieder, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Warum erzähle ich das? Weil ich darauf hinweisen möchte, dass Journalisten mitverantwortlich dafür sind, dass komplett idiotische Autos gekauft und gebaut werden. Weil sie immer noch die größten PS-Bolzen hochjubeln und dem Wahn keine Argumente in Sachen Ökologie und Verkehrssicherheit entgegensetzen. Lest deutsche Qualitätszeitungen, aber betrachtet die Autoseiten als Humorbeilage, sage ich deshalb zu meinen Kindern. Das ist traurig.

Jetzt zu meinem spektakulären Vorschlag in Sachen Tempolimit. Ökosex ist prinzipiell für ein Tempolimit von 117km/h. Das ist mit den Deutschen allerdings nicht zu machen, weil es eine ungerade Zahl ist. Tatsächlich habe ich auch Zweifel, ob ein Tempolimit von 130km/h oder hohe Steuern für Spritschlucker tatsächlich zu einer kleineren Wagenflotte führen würde. Auch in Maastricht, meiner tempolimitierten Heimat, kommen die Väter zum Training der F-Jugend mit dem dicken Volvo, obwohl der auch steuerlich extrem teuer ist. Die imaginäre Potenz spielt hier tiefenpsychologisch eine wesentliche Rolle. Deshalb braucht es einen echten Anreiz, um Wagen unter 130 g/ km CO2 zu kaufen. Die Ökosex-Formel heißt daher: "Unter 130 über 130".

Das bedeutet: In Deutschland wird ein Tempolimit eingeführt von 130km/h, allerdings nur für Autos mit mehr als 130 g/km CO2. Das heißt: Die großen Spritschleudern müssen schleichen, mit sparsamen Autos darf man rasen. Das ist der psychologische Hammer. Wer ein Auto mit 120 g/km CO2 fährt, der darf 150km/h fahren. Mit 100 g/km CO2 darf es schon 170 km/h sein. Und wenn die FAZ weiter brettern möchte? Kann sie mein Ökosexmobil (50g/km CO2) ausleihen. Ich werde mich mit damit konsequent an die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h halten. Also her mit dem Ökosex-Tempolimit, und ich prognostiziere: So schnell kannste gar nicht gucken, wie die Deutschen ihre Schluckspechte verkaufen.

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