Tour de France: Weiter, immer weiter

Das Rabobank-Team hat seinen Kapitän Rasmussen entlassen. Dass ein Sponsor die Entscheidung traf, zeigt den wachsenden Einfluss der Geldgeber.

Gefeuert: Kapitän Michael Rasmussen Bild: dpa

Es ist bereits nach Mitternacht, als Michael Boogerd rastlos durch die Lobby des Hotels Mercure schreitet. Für gewöhnlich verbringt ein Radprofi die Nacht vor einer langen Etappe anders, aber Boogerd muss seine Gedanken sortieren. Denn seine Mannschaft Rabobank hat am Abend ihren Kapitän Michael Rasmussen, den Führenden in der Gesamtwertung, entlassen. Boogerd ist verwirrt, ebenso seine Kollegen und die übrigen Fahrer. Ist das endgültig der "Tod der Tour de France", wie die linke französische Tageszeitung Liberation am Donnerstag titeln wird? Oder ist das eine Chance für die Tour, die "beste Nachricht seit einer Woche", wie Tour-Direktor Christian Prudhomme beim Start der nächsten Etappe verkünden wird?

Im Hotel Mercure hat man in dieser Nacht nicht das Gefühl, dass die Tour eine Zukunft hat. Polizisten durchsuchen die Zimmer des Rabobank-Teams. Als sie um halb eins abziehen, tritt der Sprecher des Teams, Jacob Bergsma, in die Lobby, um die Lage zu erklären. Team-Direktor Theo de Rooy habe nach der Etappe vom Mittwoch Rasmussen wegen neuer Informationen zur Rede gestellt, die dessen vorherigen Erklärungen zu seinen Verwarnungen durch den internationalen Radsportverband widersprachen. Rasmussen war mehrfach zu unangemeldeten Dopingkontrollen nicht auffindbar gewesen und hatte dies in den vergangenen Tagen mit immer verworreneren Geschichten begründet. Den neuen Informationen hielt seine Lügen jedoch nicht mehr stand.

Rasmussen hatte angegeben, im Juni eine Kontrolle verpasst zu haben, weil er nach Mexiko zum Training gereist sei. Doch genau zu diesem Zeitpunkt wurde er vom italienischen Fernsehreporter Davide Cassani in den Dolomiten beim Radeln gesehen. Cassani berichtete in einer Reportage vom 15. Juli davon - also noch ehe Rasmussen das Gelbe Trikot übernahm. Der dänische Fernsehjournalist Niels Christian Jung interviewte daraufhin Cassani. De Rooy erfuhr von diesen Widersprüchen, nachdem das Interview am Mittwoch im dänischen und im deutschen Fernsehen ausgestrahlt worden war.

Spätestens jetzt wurde deutlich, dass Rasmussen es nicht aus Schusseligkeit versäumt hatte, den Dopingkontrolleuren seinen jeweiligen Aufenthaltsort fristgerecht und wahrheitsgetreu mitzuteilen. Er hatte offenbar ein System entwickelt, um den Kontrollen zu entgehen. So hatte er es mit seinen wechselnden Lizenzen, zuerst beim mexikanischen, dann beim monegassischen Verband geschafft, drei Jahre lang jegliche unangemeldete Kontrolle zu vermeiden.

Dass sich Rasmussen bis zur 16. Etappe der Tour durchmogeln konnte, lässt niemanden im Radsport gut aussehen. So ließ es der Verband zu, dass Rasmussen bei der Tour starten durfte, ohne bekannt zu geben, dass der Däne auffällig geworden war. Die Tour de France muss sich die Kritik gefallen lassen, dass sie trotz ihrer Anti-Doping-Rhetorik die Kosten einer Schadenersatzklage gescheut hat und ihn lieber die Fans eine Woche lang an der Nase herumführen ließ. Und das Team Rabobank muss sich fragen lassen, warum sie so lange zu ihrem Kapitän hielt. Erst auf Druck der holländischen Bank, die sein Team finanziert, stellte Theo de Rooy Herrn Rasmussen unangenehme Fragen.

Dennoch rollte die Tour am Donnerstag mit fast schon pathologischer Stoik auf ihre viertletzte Etappe. Kinder ließen sich Kappen signieren, Teenager ließen sich mit Rennfahrern fotografieren. Auch Boogerd und der Rest des Rabobank-Teams wollen weitermachen. "Ich befürchte, der Radsport ist nicht totzukriegen", seufzte der Direktor des deutschen Teams Gerolsteiner angesichts dieses Treibens.

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