Klimaschutz: Auf der linken Seite der USA

In der Bay Area haben Konzerne und Kleinunternehmer ein Klimaschutzbündnis geschlossen: Sie sind davon überzeugt: Umweltengagement bringt Geld und Jobs

Über diese Brücke kommen nur die Guten Bild: dpa

SAN FRANCISCO taz Washington? Wenn die San Fransciscans auch nur den Namen der US-Hauptstadt hören, verdrehen sie schon die Augen. Sie sind von der "left coast", der "linken Küste", sagen sie dann lachend und, dass sie gar nicht wissen, was sie mit dieser peinlichen US-Regierung gemein haben. San Francisco, das ist die Stadt, die als erste der Welt Plastiktüten in Supermärkten verboten hat und in der die Internet-Millionäre morgens mit Hybrid-Autos ins Silikon Valley düsen. Der Wohlstand der gesamten Region, Bay Area genannt, hat dort die Gewissheit geformt, dass sich mit fortschrittlichen Ideen Geld, sogar sehr viel Geld machen lässt.

In der San Francisco Bay Area leben rund sieben Millionen Menschen. Zu dem Gebiet gehören neun Gemeinden (Countys), die bekanntesten sind Oakland und San Francisco an der Bucht. Im Verhältnis zu anderen Ballungsgebieten in den USA ist die Bay Area seit Jahrzehnten gut für den öffentlichen Nahverkehr erschlossen, selbst bis ins Silicon Valley pendelt eine S-Bahn.

Im früheren wirtschaftlichen Zentrum der New Economy Ende der 1990er-Jahre blüht eine neue Idee zur Geldgewinnung: Umwelt- und Klimaschutz. Die Strategen der Konzerne GAP oder Levi Strauss mit Firmensitz in San Francisco treffen auf Internet-Millionäre und eine US-weit bekannte liberale Gesellschaft, die im guten Klima Kaliforniens gut leben will.

Von den Mitarbeitern der Stadtregierung über die Planer bei Google bis hin zum Chef einer kleinen Kaffeerösterei sind daher alle Streber. Öko-Streber. Sie sind ehrgeizig und wollen grüner sein als der Rest der Landes. Um diesem Drang ein weiteres Mal Gestalt zu geben, haben sich mehr als zwei Dutzend Bay-Area-Unternehmen zusammengeschlossen und eine Initiative zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen gegründet. Es soll der weltweit erste Versuch dieser Art sein, nein, bescheiden ist man nicht am Pazifik. Die Vereinten Nationen fördern die Initiative und wollen sie später als globales Nachmachmodell in anderen Regionen anpreisen.

Umwelt als Kapital

Mit an Bord der kurz "bc3" genannten Initiative sind namhafte Branchenriesen wie die Energieversorger der Region, Pacific Gas & Electricity, die Bekleidungskette Gap, die Internet-Suchmaschinen Google und Yahoo sowie der Business Council der Stadt. Mit ihrem Beitritt verpflichten sie sich unter anderem, ihr Umweltschutz-Know-how zu teilen und zur Aufklärung über die globale Erwärmung beizutragen. Außerdem wollen sie in ihren eigenen Unternehmen nach Wegen und Methoden suchen, um den CO2-Ausstoß zu vermindern. Das können, wie im Fall von Google, kleine Schritte sein. So bietet der Internet-Gigant in der Betriebskantine neuerdings nur noch Ökolebensmittel aus der Region an. Oder große. Wie beim Energiekonzern PG & E, der sich bei der Regierung Kaliforniens für ein Cap-and-Trade-System von Emissionen einsetzt und dabei ist, den eigenen Energiemix CO2-ärmer zu machen.

Während an der Westküste US-Präsident George W. Bush hartnäckig behauptet, Umweltschutz wäre eine Gefährdung für die US-Wirtschaft, manövriert Kirsten Ritchie, 47, mit energischen Schritten durch das Stadtplanungsbüro Gensler und schwärmt in Stakkato-Sätzen von der Power des Marktes und der Verantwortung des Kapitals für die Umwelt. Draußen vor den Panoramafenstern des internationalen Architekturbüros liegt silberblau die Bucht von San Francisco. Von hier aus schaut Ritchie auf die gegenüberliegenden grünen, saftigen Hügel des Marine Counties, bis hinein in das Napa-Tal, wo der kalifornische Wein wächst.

Richie, von Beruf Umweltingenieurin und bei Gensler zuständig für nachhaltiges Design, ist die Vorsitzende von bc3 und seit wenigen Wochen damit beschäftigt, rund 20 Unternehmensvertreter verschiedener Branchen in einer Arbeitsgruppe zu organisieren. Sie wollen beweisen, dass die Reduzierung von Treibhausgasen weder einen Abbau von Arbeitsplätzen noch Gewinnverluste nach sich ziehen wird. "Für die Wirtschaft der Region könnte die Initiative eher einen gewaltigen Nutzen bringen", ist Ritchie überzeugt. "Diese Region wird im Zentrum der technischen Innovation stehen, die den Klimawandel an vorderster Front angehen wird. Wir sind sicher, dass daraus gute und wichtige Jobs entstehen werden", sagt sie und man spürt, dass Leute wie Ritchie keinen Grund zum Zweifeln haben. Sie erfinden das Rad neu - und haben damit Erfolg.

Grüne Idee beim Sandwich

"Wenn die Umwelt zusammenbricht, brechen auch die Märkte ein", sagt Gavin Power von der UN-Umweltbehörde Global Impact und meint, damit Bushs Credo vom Kopf auf die Füße zu stellen. Seine Behörde wirbt für ein stärkeres Engagement von Unternehmen für den Klimaschutz. Denn als Miterzeuger für das Problem hätten Unternehmen die Pflicht zu handeln.

Wer wen zuerst ansprach und diese schicke Idee hatte, hört sich je nachdem, mit wem man spricht, jedes Mal anders an. Entscheidend waren wohl einige Sandwich-Bars in San Franciscos Geschäftsviertel. In denen trafen sich einzelne Akteure zufällig immer wieder und nutzten den gemeinsamen Lunch, um ein paar ehrgeizige grüne Ideen zu entwickeln. In der etwas offizielleren Version sprach der Business Council die UN-Behörde an und lud sie im Juni 2005 zur großen Umweltkonferenz ein, die San Francisco organisiert hatte. Dort entwickelten sie die Idee, dass sie mehr tun müssten, als nur ein bisschen grüne Stadtplanung zu machen. Als dann im vergangenen Jahr deutlich wurde, dass Kalifornien US-weit die strengste Umweltgesetzgebung einführen werde, drängelten die Unternehmen ihren Verband, doch endlich etwas zu unternehmen.

Im März kamen dann alle im Rathaus zusammen und gaben sich das Jawort zur Anti-CO2-Koalition. Seitdem sei nichts passiert, was man sehen könne, sagt Kirstin Ritchie. Ein paar Erklärungen und Absichten stehen im Internet, wie die "Prinzipien der Klima-Führerschaft", die die Unternehmen unterschreiben müssen. Darin ist zu lesen, dass der Betrieb zum Beispiel seine Mitarbeiter in Sachen Umwelt weiterbilden muss, dass zur Produktion benötigte Materialien durch umweltfreundlichere zu ersetzen sind, dass in saubere Technologien zu investieren sei und dass Transparenz in all diesen Dingen großgeschrieben werden müsse.

Recherche-Anfragen sowohl bei Gap als auch bei Google, ob man den Betrieb besichtigen und sich die ersten Umweltprojekte zeigen lassen könne, wurden abgelehnt. Angeblich soll Google kürzlich 9.200 Solarzellen auf seinem Firmendach installiert haben und den Mitarbeitern einen kostenlosen Shuttle-Service mit einem Biodiesel-Bus anbieten.

Bei PG & E hängt ein großes grünes Banner über dem düsteren Haupteingang des Headquarters: "Lets green this city" - "Lasst uns diese Stadt begrünen". Das Lieblingswort von Pressesprecher Keely Wachs ist "Carbon footprint". "Unser Ziel ist es nicht, mehr Energie zu verkaufen. Unser Ziel ist es, unseren Kunden zu helfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern", sprudelt der junge Mann los und zeigt die neuen Tariftabellen für Öko-Strom vor. "Unternehmen können in der Frage des Klimawandels glaubhafte, wichtige und mächtige Anwälte sein", hatte Wachs Chefin, Nancy McFadden, Vizepräsidentin von PG & E bei der Gründungszeremonie für bc3 gesagt.

Solarenergie sei ein wichtiger Faktor, Renewables, zählt der Sprecher auf. Auch Hermann Scheer, der deutsche Papst der Solarenergie, sei schon bei PG & E zu Gast gewesen. Der Konzern, so Wachs, erzeuge bereits 50 Prozent seiner Energie nicht aus Kohle, das sei mit das sauberste Portfolio in den USA. Die andere Hälfte sei auch ziemlich sauber, nämlich 24 Prozent Atomstrom und der Rest Kohle. Der Konzern sei zudem fest entschlossen, seinen rund 15 Millionen Kunden bis 2020 noch Besseres anbieten zu können, als die vom Staat Kalifornien vorgeschriebenen 20 Prozent Erneuerbare Energien im Energiemix.

Alles nur ein PR-Trick?

In Deutschland macht gerade die Runde, dass die von der Bundesregierung angepeilte Senkung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent die Privathaushalte im Durchschnitt um bis zu 25 Euro pro Monat belasten werde. In San Francisco ist sich hingegen Kirsten Ritchie sicher, dass "alles, was wir in dieser Hinsicht unternehmen, gut fürs Geschäft ist. Es gibt großartige Möglichkeiten, ein besserer Umweltakteur zu sein - und ein besseres Unternehmen!"

Umweltberaterin Dina Mackin ist skeptisch. Sie berät Unternehmen, die umweltfreundliche Ressourcen anbieten, und sagt über bc3, dass man von den knapp 50 Mitgliedern "noch nichts gesehen hat, dass wie eine feste Zusage klingt". Es gebe ja noch nicht einmal eine allgemein gültige, unumstrittene Methode, die Gesamtemissionen eines Unternehmens zu ermitteln. Bislang habe jeweils nur eine Umschichtung stattgefunden, anstelle einer echten Reduktion. Zahlentricksereien seien die Regel. "Ich glaube zudem nicht, dass die Freiwilligkeit ein gutes Prinzip ist", sagt Mackin. Es sei leider Fakt, dass die notwendigen Investitionen, die man benötigt, um Nachhaltigkeit herzustellen, nun mal teuer seien. Das schmecke vielen profitorientierten Unternehmen nicht, weiß sie aus ihrer Berufspraxis.

"Von Wegen 'der Kapitalismus regelt alles!' Die Unternehmen brauchen natürlich Zuckerbrot und Peitsche, sonst bewegen sie sich nicht", ist sich Jennifer Kass sicher. Die junge Frau hat keinen besonderen Titel, sondern arbeitet eng mit Bürgermeister Gavin Newsom zusammen. Sie koordiniert seine zahllosen grünen Projekte und Ideen. Kass war eine enge Mitarbeiterin des früheren US-Präsidenten Bill Clinton und kann San Franciscos Ehrgeiz, die grünste Stadt der USA werden zu wollen, gekonnt in politische Programmatik übersetzen. "Bevor wir neue Regeln machen, geben wir den Unternehmen Gelegenheit, ihr Wissen untereinander auszutauschen", sagt sie schnörkellos. Sie wollen für die Bay Area lernen, was funktioniert und was eben nicht. "Die wahre Herausforderung kommt ja erst, wenn es darum geht zu investieren und der Profit nicht mehr stimmt." Dann merkt sie noch an, dass in den letzten Wochen zahllose europäische Journalisten nach San Francisco gekommen seien. Alle mit der These im Kopf, jetzt übernehme der Kapitalismus die Umweltpolitik - und mache sie besser. "Wir machen das nicht, weil damit Geld zu verdienen ist", sagt Jennifer Kass leicht belustigt. "Wir machen das, weil es höchste Zeit ist."

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