Sachsen-Affäre: "Nur vagabundierende Gerüchte"

Sachsens Justizminister Mackenroth (CDU) spricht im taz-Interview über den Vorwurf, Staatsanwälte und Richter hätten mit Kriminellen kooperiert

"Keine Staatskrise in Sachsen": Justizminister Geert Mackenroth Bild: ap

taz: Herr Mackenroth, die Dresdner Staatsanwaltschaft bekommt jetzt die umstrittenen Verfassungsschutz-Unterlagen über kriminelle Netzwerke in Sachsen. Haben Sie die Unterlagen schon gelesen?

Geert Mackenroth: Nein, ich habe sie nicht gelesen und ich werde sie auch in Zukunft nicht lesen. Es ist nicht meine Aufgabe als Justizminister, selbst zu ermitteln. Das ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

Wollen Sie sich nicht ein eigenes Bild der Affäre machen?

Wir haben eine gestufte Fachaufsicht. Die Staatsanwaltschaft berichtet dem Generalstaatsanwalt, und der berichtet dem Ministerium. Ich lese die mir vorgelegten Berichte des Generalstaatsanwalts. Sie erlauben mir ein eigenes Bild und die Beurteilung, ob sich die Ermittlungsbehörden im gesetzlichen Rahmen halten.

Die drei sächsischen Oppositionsfraktionen Linke, Grüne und FDP werden gemeinsam einen Untersuchungsausschuss zum Sachsen-Sumpf einbringen. Gestern stellten die Fraktionen den Antrag vor, über den am Mittwoch im Landtag abgestimmt wird. Die Abstimmung ist nur eine Formsache, da bereits die Linksfraktion allein mit ihren 31 Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss durchsetzen könnte. Der Ausschuss soll untersuchen, ob es Versäumnisse der Landesregierung bei der Aufklärung krimineller Netzwerke in Sachsen gegeben hat, an denen Beamte, Richter und Staatsanwälte beteiligt sein sollen. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sorgte nach seiner Rückkehr von einer langen China-Reise sofort für Empörung. Er sagte der Freien Presse in Chemnitz, bei dem Untersuchungsausschuss gehe es "vorrangig um Klaumauk und nicht um Aufklärung."

Man könnte meinen, Sie wollen sich die Finger nicht schmutzig machen.

Es mag Justizminister geben, die in die Staatsanwaltschaft mit Weisungen hineinregieren. Ich würde eine Weisung nur erteilen, wenn mir das Handeln einer Staatsanwaltschaft rechtswidrig erscheint. Das war bisher nicht der Fall.

Die sächsische SPD fordert Sonderermittler aus anderen Bundesländern, um die kriminellen Netzwerke in Sachsen aufzuklären. Warum sind Sie dagegen?

Wir haben keine Staatskrise in Sachsen. Unsere Justiz ist selbst in der Lage, die Unterlagen des Verfassungsschutzes auszuwerten.

Die Öffentlichkeit zweifelt an der sächsischen Justiz, weil auch Staatsanwälte und Richter mit Wirtschaftskriminellen und dem Rotlichtmilieu zusammengearbeitet haben sollen. Werden solche Vorwürfe vorrangig aufgeklärt?

Natürlich geht die ermittelnde Staatsanwaltschaft den Vorwürfen nach. In der Öffentlichkeit sind allerdings bislang nur vagabundierende Gerüchte laut geworden.

Sie haben ein Disziplinarverfahren gegen Norbert Röger eingeleitet, einst stellvertretender Chef der Leipziger Staatsanwaltschaft. Er soll Tätern aus dem Bereich der organisierten Kriminalität Tipps gegeben haben. Warum ist er als Präsident des Amtsgerichts Chemnitz immer noch im Amt?

Die Ermittlungen laufen und werden gegebenenfalls zu einer Disziplinarklage führen. Über eine vorläufige Amtsenthebung darf aber nur das Richterdienstgericht entscheiden. Das schreibt das Gesetz so vor.

Müssen außer Röger auch andere Richter und Staatsanwälte mit einem Disziplinarverfahren rechnen?

Das werden die Ermittlungen zeigen. In den Medien spielen andere Justizangehörige bisher allenfalls als Nebenfiguren eine Rolle.

Warum wird erst jetzt gegen die vermeintlichen mafiösen Netzwerke ermittelt, hat die Justiz bisher geschlafen?

Sicher nicht. Ich habe in meinem Ministerium eine Übersicht erstellen lassen. Von rund fünfzig Vorgängen, über die in der Presse berichtet wurde, liegen im Ministerium in der Hälfte der Fälle Berichte des Generalstaatsanwalts vor. Das heißt, die Staatsanwaltschaft hat diese Vorgänge bereits einmal untersucht. Möglicherweise ist die Justiz auch in anderen Fällen tätig geworden, ohne dass dies der Generalstaatsanwalt berichten musste.

Ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht, dass die Justiz mit vielen Vorgängen bereits befasst war?

Das werden wir sehen.

Es könnte sich herausstellen, dass die Justiz schlecht ermittelt hat oder die Ermittlungen sogar manipuliert wurden.

Die Staatsanwaltschaft Dresden wertet jetzt die Informationen des Verfassungsschutzes aus. Wenn es dort Hinweise auf Manipulationen gibt, wird sie sich die alten Akten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft noch einmal vornehmen und auf entsprechende Indizien untersuchen. Auch die Verfahrensbeteiligten von damals können befragt werden. Eventuell sind dann neue Verfahren einzuleiten.

Sind die alten Justizakten zu Vorgängen in den Neunzigerjahren denn überhaupt noch vorhanden?

Teilweise. Gerichtsakten über Verfahren, die mit einer Verurteilung endeten, existieren zumeist wohl noch. Wenn jedoch die Staatsanwaltschaft das Verfahren damals eingestellt hat, können manche Ermittlungsverfahren in Fällen der einfachen und mittleren Kriminalität schon vorschriftsmäßig ausgesondert worden sein. Nach Abschluss des Verfahrens sind solche Akten grundsätzlich fünf Jahre aufzubewahren und dann gegebenenfalls zu vernichten.

Können fehlende Justizakten bei Bedarf rekonstruiert werden?

Man kann es versuchen, vielleicht sind die Akten oder einzelne Bestandteile bei der Polizei noch vorhanden oder bei Anwälten. Die Staatsanwaltschaft wird besonders dann nachforschen, wenn es Hinweise auf Manipulationen gegeben hat.

Auch der Verfassungsschutz hatte ja viele alte Justizakten. Wie kommt das?

Ich kann nur vermuten: Als der Verfassungsschutz 2003 begann, die organisierte Kriminalität zu beobachten, hat er sich wohl alte Akten von Gerichten und Staatsanwaltschaften kommen lassen, einschließlich eingestellter Verfahren - als Ansatzpunkt für seine weitere Arbeit.

Und von diesen Akten wurde nun ein erheblicher Teil beim sächsischen Verfassungsschutz vernichtet.

Wie man bislang hört, sind Akten von 45 Verfahren vernichtet worden. Die Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz aus den Justizakten gewonnen hat, sollen aber in den noch vollständig vorhandenen 15.000 Seiten zur organisierten Kriminalität eingearbeitet sein. Zudem sind die Originalakten in 31 Verfahren noch bei der Justiz vorhanden.

Viele Vorfälle aus den Neunzigerjahren könnten längst verjährt sein.

Das wäre rechtsstaatliche Normalität und mag sein, wird aber in jedem Einzelfall überprüft.

Die Linksfraktion wirft Ihnen mangelndes Engagement bei der Aufarbeitung des Sachsen-Sumpfes vor und fordert Ihre Entlassung.

Entlassen könnte mich nur der Ministerpräsident.

Die Linke hat aber beantragt, dass der Landtag Ihre Tätigkeit missbilligen soll. Am Donnerstag wird darüber abgestimmt. Sind Sie nervös, dass zum Beispiel Ihr Koalitionspartner SPD mit der Opposition stimmt?

Ich bin zuversichtlich, denn unsere Koalition weiß, worum es geht.#

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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