Pop als Gegenkultur: Psychedelische Spuren

Ein Nachgeborener auf der Suche nach dem Summer of Love ("Psychedelic Revolution 67", Arte, 22.25 Uhr)

Türöffner für die Pforten der Wahrnehmung. Bild: dpa

Der schönste Satz fällt gegen Schluss: Ob sie den Unterschied zwischen der psychedelischen Szene von New York und der Westküste umreißen könne, fragt der Filmemacher Christoph Dreher die Malerin Mary Woronov, die damals in Andy Warhols Factory arbeitete und in Tanzperformances zur Musik der Velvet Underground die Peitsche schwang. In New York habe man Amphetamine geschluckt, antwortet sie, das richtig gute Zeug, das auch die Kennedys nahmen. "In Kalifornien waren die Gehirne von LSD so weich, dass sie kaum noch in ganzen Sätzen reden konnten. Ich meine: 'Wow!' ist jetzt nicht wirklich ein interessanter Satz."

Vierzig Jahre ist der berühmte Summer of Love nun her, jener mythenüberladene Gründungsmoment der Idee von Pop als Gegenkultur. Ein historischer Moment, der so wirkungsmächtig werden sollte, dass er heute in einem Werbeclip für eine CD-Box mit Musik der Ära auf vier Bilder zusammengeschnurrt ist: Blumenmädchen, langhaarige Männer mit Gitarren, ein verletzter amerikanischer Soldat wird zu einem Hubschrauber getragen, jemand läuft bunt kostümiert eine Londoner Straße entlang.

Arte hat diesen scheinbar restlos zu Ende erzählten Monaten in den kommenden Wochen eine ganzen Reihe von Filmen und Abenden gewidmet. Und dass es Dreher mit seinem Dokumentarfilm "Psychedelic Revolution 67" gelingt, dieser Zeit noch einmal überraschenden Sinn abzugewinnen, hat mit seinem Blick für die Unterschiede zu tun. Da gibt es London, wo Psychedelia vor allem eine Feier kulturellen Reichtums ist, eine Intensivierung des Swinging London der Jahre davor. Ganz anders als in San Francisco, wo Psychedelia an die uramerikanische Idee geknüpft ist, sich durch Grenzüberschreitung als neuen Menschen zu erfinden. Womit die intellektuellen New Yorker wiederum nur wenig anfangen können.

Dreher spaziert durch Ruinen der Bewegung, wie das Wrack des Busses, mit dem Ken Kesey und die Merry Pranksters durch die USA fuhren und unter dem Motto "Can You Pass The Acid-Test?" LSD verteilten: In einem Garten rostet es vor sich hin. Er unterhält sich etwa mit John Echols von der Band Love, dessen Leben wohl anders verlaufen wäre, wären sie der Einladung gefolgt, beim Festival in Monterey aufzutreten. Der sagenumwobene Produzent Kim Fowley hat wild geschminkt den Job des Zwischenmoderators übernommen.

Dass dies sich so glücklich zusammenfügt, liegt an der Perspektive: Dreher erzählt als Nachgeborener. Als jemand, der damals 15 Jahre alt war, in Aachen wohnte und mit mächtigen Sehnsuchtsscheinwerfern die Plattenläden nach den Spuren jener Revolution absuchte, von der man in der Provinz mehr ahnte als wusste.

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