Kommentar: Illegal, aber richtig

Die Blockaden in Heiligendamm zeigen den Unterschied zwischen zivilem Ungehorsam und Steinewerfen. Mit bunten Bildern wurde den Regierungschefs die Show gestohlen.

Die Blockaden der Zufahrtswege zur Gipfelzone in Heiligendamm zeigen, wie Protest auch funktionieren kann. Es geht um den großen Unterschied zwischen zivilem Ungehorsam und Steinewerfen auf Massendemos.

Warum Tausende die Polizeisperren rund um die verbotene Zone umgehen konnten, weiß wohl nur die Einsatzleitung. Klar ist, was die überraschend großen und erfolgreichen Blockaden von Straßen und Eisenbahn den Tag über gebracht haben: viele positive Bilder in den Medien über friedliche Demonstranten und Protestformen. Und die Frage: Warum nehmen die Leute vor Ort das auf sich? So wurde wieder über Inhalte diskutiert und nicht über Sicherheit. Wer Steine wirft, überlässt den Scharfmachern das Feld und zwingt die Protestseite in eine Diskussion, die sie nicht gewinnen kann. Bei einem solchen Großereignis geht es auch darum, die politische Gegenseite im Ringen um die Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft in die Defensive zu bringen.

Mit friedlichen Blockaden gelingt das den Gipfelkritikern eher - auch wenn sie wie die gestrigen illegal sind, weil eine bis zu zehn Kilometer breite Zone um das Tagungshotel gezogen wurde, in der das Demonstrationsrecht nicht mehr gilt. Die Öffentlichkeit begreift sehr wohl, wann es Argumente für einen Verstoß gegen welche Paragrafen gibt und wann nicht. Mit den bunten Bildern hat der Protest den anreisenden Regierungschefs die Show gestohlen.

Außerdem haben bei Aktionen des zivilen Ungehorsams die Provokateure beider Seiten schlechte Karten. Sie können das Bild nicht bestimmen angesichts tausender friedlich untergehakt sitzender Menschen. Augenzeugen vermuten, einige der frühen Steinewerfer in Rostock seien Zivilbeamte der Sicherheitsdienste gewesen. Mag sein, solche Berichte kennt man aus dem Wendland und von anderswo. Es ist blauäugig, anzunehmen, dass der Staat 100 Millionen Euro für einen G-8-Gipfel ausgibt und nicht all seine Register zieht. Wer dann aber ebenfalls Steine gegen den vielgeschmähten "Bullenstaat" wirft, läuft genau diesem ins Messer. Die gestrigen Blockaden boten für alle ein Beispiel, wie es friedlicher und wirksamer geht.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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