Kolumne Darum: Auf ein Passwort, bitte!

Wer von Pubertierenden Freundlichkeit erwartet, glaubt auch an selbstreinigende Zimmer. Warum nur sind 13-Jährige so nett zu mir?

Hier wird kein Wlan gebraucht. Da muss dann auch niemand gegrüßt werden Bild: Photocase / luxuz::.

Ich bin ein mächtiger Mann. Kinder betreten meine Wohnung und winden sich vor Freundlichkeit, wenn sie mich sehen. Unterwürfig schleichen sie um mich herum, dienen sich an, versuchen zu erraten, was mir fehlt und wie sie es mir beschaffen können.

Das ist seltsam, ansonsten bekommt man von so einem vorbeihuschenden Wesen im Alter von zwölf, 13 oder 14 Jahren allenfalls ein „Hallo“ zu hören. Manchmal murmelt eins „Steckdose“ oder „Ladekabel“. Aufmerksamkeit aber, als Mensch wahrgenommen, angesehen und dabei auch noch in vollständigen Sätzen angesprochen zu werden, ist selten.

Woher kommt das Geschmeichel? Ganz einfach: Sie wollen etwas von mir. Es muss etwas Wichtiges sein. Etwas, ohne das kein einziger aus dieser hormongebeutelten Rotte auch nur eine Minute leben kann. Was mag es sein? Freundlichkeit? Lebenskluge Ratschläge eines Erwachsenen? Anderer weltfremder Quatsch? Ach was, es ist viel einfacher: Sie brauchen das Wlan-Passwort.

Das schwarz-gelbe und das schwarz-weiße Kind haben Smartphones. Und ihre Freunde haben auch welche. Manche schleppen, wenn sie uns besuchen, sogar einen Laptop mit. Aber Verträge mit einem Datenvolumen, das sie unabhängig vom Wlan der jeweiligen elterlichen Wohnungen macht, haben sie nicht. Und wenn doch, ist das Volumen oft schneller aufgebraucht als man Pubertät sagen kann.

Verdammter Passwort-Manager

Obwohl sie sich persönlich treffen und gemeinsam bei uns zu Hause rumlungern, wollen sie chatten, ihre Instagram- oder Tumblr-Profile pflegen, und sie wollen vor allem eins: ihren Göttern auf Youtube huldigen. Dafür aber brauchen sie mich. Ich bin der Herrscher über die Buchstaben-Ziffern-Kombination, die das Glück bedeutet. Ich bin der Wlan-Passwort-Gott.

Mit dieser Rolle fühle ich mich unwohl. Ich denke: Ist das alles, was ihr von mir wollt? Meine Fragen beantwortet ihr mit einem Grunzen. Mein Interesse an euch wischt ihr weg wie Fingerabdrücke auf dem Smartphone. Ich würde gerne wissen, was ihr so macht. Noch seid ihr die Freunde meiner Kinder, bald muss man euch zusammen von der Polizeiwache abholen. Oder ihr liebt euch. Oder ihr haut zusammen ab. Ein paar Informationen über euch könnten irgendwann hilfreich sein.

Ich sage: Auf ein Wort, bitte, und nicht nur auf ein Passwort. Sie verstehen, was ich sage, aber nur der Begriff Passwort bleibt hängen. Da grinsen sie dann, zücken ihre Geräte und saugen gierig das Volumen, das sie brauchen.

Das Wlan-Passwort ist bewusst schwierig gehalten. Es ist kein einfaches Wort, das man einmal hört und das man sich dann für immer merkt. Das soll so sein, der Sicherheit wegen, und nicht, weil dann die Kinder wieder und wieder fragen müssen.

Würde ja auch nichts bringen: Der Passwort-Manager ihrer Geräte, eine Art digitaler Patenonkel aller pubertierenden Kinder, untergräbt meine Macht systematisch. Habe ich das Wlan-Passwort einmal rausgegeben, liegt mein Reich in Trümmern. Eben noch war ich Gott – nun bin ich in den Augen der Kinder nur noch ein armes Würstchen. Und da haben sie Recht: Jemanden, der sich wegen eines Passworts was einbildet, kann man nicht anders bezeichnen.

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Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

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