Umstrittene Schulreform in Frankreich: Regierung legt sich mit Lehrern an

Trotz Kritik von Lehrern und Opposition setzt die Regierung ihre Pläne für eine Schulreform um. Auch der deutsche Botschafter intervenierte.

Lehrer demonstrieren gegen die Schulreformpläne der Regierung Bild: dpa

PARIS afp | Gegen den Widerstand von Lehrern und Opposition zieht die französische Regierung die umstrittene Schulreform durch, die auch in Deutschland auf Kritik stößt. Nur einen Tag nach einem landesweiten Lehrerstreik wurde am Mittwoch das Dekret zur Reform der französischen Mittelschule veröffentlicht. Lehrergewerkschaften kritisierten das Vorgehen der sozialistischen Regierung als „Provokation“ und „skandalös“.

Die Reform der Collèges genannten Mittelschulen sorgt schon seit Wochen für erregte Debatten in Frankreich. Die regierenden Sozialisten sehen wegen des schlechten Abschneidens französischer Schüler in internationalen Vergleichstests dringenden Reformbedarf beim Collège, einer vierjährigen Gesamtschule zwischen Grundschule und Gymnasium.

Zentrale Punkte der Reform sind mehr Autonomie für die Collèges, eine verstärkte Einzelbetreuung von Schülern, ein Vorziehen der zweiten Fremdsprache und ein Ausbau des interdisziplinären Angebots.

Auf heftigen Widerstand stoßen unter anderem Pläne, den Latein- und Altgriechischunterricht in seiner bisherigen Form abzuschaffen und stattdessen fachübergreifende Kurse zu Sprachen und Geschichte der Antike anzubieten. Kritik gibt es auch an der geplanten Abschaffung von Sprachenzügen, in denen schon früh Deutsch unterrichtet wird.

Am Dienstag gingen landesweit tausende Lehrer gegen die Reform auf die Straßen. Nach Angaben des Bildungsministeriums beteiligte sich rund jeder vierte Lehrer an den öffentlichen Mittelschulen an einem Streik, eine Gewerkschaft sprach von mehr als jedem Zweiten.

Schnelle Umsetzung

Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem versicherte zwar, auf die „Sorgen“ der Lehrer eingehen zu wollen; Premierminister Manuel Valls betonte aber am Streiktag, das entsprechende Dekret solle „so schnell wie möglich“ veröffentlicht werden.

Dass die Regierung dies nur einen Tag nach dem Streik vollzog, sorgte für Empörung bei den Gewerkschaften. Vallaud-Belkacem habe Gesprächsbereitschaft signalisiert, nur um dann „die Tür vor der Nase der Lehrer zuzuschlagen“, erklärte eine Gewerkschaft. Der Kampf gegen die „Verschlechterung der Arbeitsbedingungen“ der Lehrer und die „Zerstörung unserer Schule“ werde weitergehen.

Die Vize-Vorsitzende der konservativen UMP von Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, Nathalie Kosciusko-Morizet, warf der Regierung eine „tiefe Verachtung“ der Lehrer vor. Der Zentrumspolitiker François Bayrou rief zu einer „nationalen Demonstration“ gegen die Schulreform auf.

Alle Fristen eingehalten

Die Ministerin wies die Vorwürfe zurück. „Nichts wurde überstürzt, alle Fristen sind so, wie wir sie von Anfang an vorgesehen hatten“, sagte Vallaud-Belkacem dem Sender France Info. Sie erinnerte daran, dass die Reform bereits im April vom französischen Bildungsrat beschlossen worden war. Nun gehe es darum, mit Umsetzungstexten zur Reform auf die Sorgen der Lehrer einzugehen. Die Reform soll nach den Sommerferien 2016 greifen.

In Deutschland hat insbesondere die Reform des Deutschangebots Sorgen geweckt. Allgemein soll mit der zweiten Fremdsprache ein Jahr früher begonnen werden als bisher, und zwar in der siebten Klasse. Im Gegenzug sollen aber spezielle Sprachenzüge gestrichen werden, in denen zwei Fremdsprachen – häufig Englisch und Deutsch – bereits ab der sechsten Klasse unterrichtet werden.

In Deutschland wird befürchtet, dass dadurch die Zahl der Deutschschüler in Frankreich sinken wird. Die deutsche Botschafterin in Paris intervenierte daher sogar im französischen Bildungsministerium.

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