EU-Austritt Großbritanniens: Keine Rücksicht mehr

Traditionell hat die Queen die Regierungserklärung des konservativen Kabinetts verlesen. Die Abstimmung über den EU-Austritt des Landes ist jetzt offiziell.

Queen Elisabeth II. liest die Regierungserklärung vor

Nur noch Vorleserin: So weit ist es mit der Monarchie gekommen. Foto: reuters

DUBLIN taz | Die Briten dürfen spätestens Ende 2017 über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen. Das hatte der britische Premierminister David Cameron erstmals bereits 2013 angekündigt, nun steht es in der Regierungserklärung, die gestern von Königin Elisabeth II. mit dem seit Tudor-Zeiten traditionellen Ritual vorgelesen wurde.

Vermutlich wird Cameron das Referendum schon im nächsten Jahr abhalten lassen, damit es nicht die zweite Hälfte seiner Amtszeit dominiert. Bekannt ist bisher, dass es eine einfache Frage sein wird, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist – „Ja“ für den Verbleib in der EU, denn das gilt als psychologischer Vorteil für die EU-Anhänger.

Der genaue Wortlaut soll am Donnerstag verkündet werden, bevor sich Cameron auf eine zweitägige Rundreise nach Den Haag, Paris, Warschau und Berlin begibt, um für seine EU-Reformen zu werben. Am Montag hatte er bereits EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker auf dem Landsitz Chequers zu ersten Beratungen empfangen.

Die Reformvorschläge will Cameron dann beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel vorlegen. Eigentlich wollte er am Donnerstag zur dänischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, die mit dem britischen Labour-Abgeordneten Stephen Kinnock verheiratet ist, doch da sie gerade heute Parlamentswahlen für den 18. Juni ausgerufen hat, muss Cameron mit seinem Besuch warten.

Liberale Befindlichkeiten

Die Regierungserklärung ist der Königin zum ersten Mal seit 19 Jahren von den Tories alleine diktiert worden. Die hatten bei den Wahlen vor drei Wochen überraschend die absolute Mehrheit gewonnen und müssen sich nun nicht mehr um die Befindlichkeiten der EU-freundlichen Liberalen Demokraten scheren. Was steht sonst noch in der Regierungserklärung?

Einkommens- und Mehrwertsteuer sowie Sozialabgaben werden bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2020 eingefroren. Menschen, die 30 Stunden in der Woche zum Mindestlohn arbeiten, zahlen keine Steuern. Schottland bekommt mehr Rechte, doch die schottischen Abgeordneten dürfen bei Angelegenheiten, die nur England und Wales betreffen, nicht mitstimmen. Ein Anti-Extremismusgesetz soll die Radikalisierung von jungen Leuten verhindern. Die Macht der Gewerkschaften soll weiter beschnitten werden: Streiks sind nur noch dann zulässig, wenn eine Mindestzahl von Mitgliedern ihre Stimme abgegeben hat.

Die angekündigte Abschaffung der Charta für Menschenrechte zugunsten einer verwässerten britischen Bürgerrechtscharta ist überraschend verschoben worden. Cameron sagte, man habe den Plan nicht aufgegeben, werde aber zunächst darüber debattieren. Offenbar befürchtet er, dass sein Plan scheitern könnte. Zwar haben die Tories im Unterhaus eine Mehrheit von zwölf Sitzen, aber im Oberhaus sind sie in der Unterzahl.

Shami Chakrabarti von der Menschenrechtsorganisation Liberty begrüßte den Aufschub: „Vor uns liegt ein langer Kampf, aber Zeit ist die Freundin der Freiheit.“ Das Unterhaus werde schließlich den Wert der Menschenrechtscharta für die Bürger und für den Ruf Großbritanniens in der Welt begreifen, fügte sie hinzu.

Über die Kürzungen des Sozialhaushalts um 12 Milliarden Pfund im Jahr verriet die Königin wenig. In den nächsten zwei Jahren werden Arbeitslosenhilfe und Kindergeld nicht erhöht, 18- bis 21-jährige haben kein automatisches Recht mehr auf Wohngeld, und die Obergrenze für Zuschüsse werden pro Haushalt um 3.000 Pfund im Jahr gekürzt. Dadurch spart man aber lediglich 1,5 Milliarden Pfund ein. Das dicke Ende kommt also noch.

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