Rekord-Hitzewelle in Indien: Schuften bei 48 Grad

Wegen der sengenden Hitze sind schon 2.200 Menschen gestorben. Die Ärmsten müssen unter Lebensgefahr arbeiten – oder hungern.

Ein Milchmann schleppt große Kanister auf einem Bahnsteig

Die Leute wollen trotz Hitze ihre Milch: Milchmann am Bahnhof von Kalkutta. Foto: dpa

HYDERABAD ap | Bei Temperaturen weit über 40 Grad Celsius suchen Inder den Schatten, baden in Flüssen oder essen Zwiebeln, um die Hitze besser ertragen zu können. Das gilt aber nur für die, die es sich leisten können. Die Ärmsten müssen trotzdem hart arbeiten, sei es auf dem Bau, in der Ziegelfabrik oder auf dem Feld. „Entweder wir arbeiten und setzen unser Leben aufs Spiel, oder wir haben nichts zu essen“, bringt der Bauer Narasimha im südlichen und von der Hitzewelle hart getroffenen Unionsland Andhra Pradesh seine Lage auf den Punkt.

Er ist nicht allein. „Wenn ich wegen der Hitze nicht arbeite, wie soll meine Familie überleben?“, fragt der Bauarbeiter Mahalakshmi, der in Nizamabad keine drei Euro am Tag verdient. Meteorologen sagen für die kommenden Tage voraus, dass die sengende Hitze andauern dürfte: Damit drohen Ernten zu verbrennen und Tiere tot umzufallen. Und jeder Mensch, der im Freien arbeitet, bringt sich in Lebensgefahr. Die Behörden empfehlen, in den Häusern zu bleiben, den Kopf zu bedecken und viel Wasser zu trinken. Doch viele können es sich schlicht und einfach nicht leisten, diese Tipps zu befolgen.

Die meisten der bisher 2200 Hitzetoten gab es in Andhra Pradesh und dem benachbarten Telangana. Dort wurden nach amtlichen Angaben bis zu 48 Grad Celsius gemessen. Zu der Hitze komme erschwerend eine seit Jahren andauernde Dürre hinzu, sagte ein Staatsminister von Telangana, K.T. Rama Rao. „Das hat es noch nie gegeben, deshalb gibt es eine kleine Panik“, fügt er hinzu. „Hoffentlich kommt der Monsun pünktlich. Hoffentlich bekommen wir sehr bald Regen.“

Die Armen und Alten leiden am meisten unter der Hitze. In den Elendsvierteln gibt es oft noch nicht einmal Bäume, die Schatten spenden. Kaum einer dort hat Zugang zu einem Gebäude mit Klimaanlage. Dennoch: Viele können es offensichtlich vermeiden, draußen in der Hitze zu sein. Die Straßen vieler Städte, oft chronisch verstopft, sind fast menschenleer.

Abkühlung durch den Monsun erwartet

„Da so viele Menschen an der Hitze sterben, haben wir die Kinder drinnen eingesperrt“, sagt ein Lehrer in Khammam. Der Ort verzeichnete am Samstag mit 48 Grad die höchste Temperatur seit 67 Jahren.

Abkühlung durch Monsunregen wird erst in der kommenden Woche erwartet. Der Monsun wird dann vom südlichen Kerala allmählich nach Norden ziehen. Bis dahin verteilen Freiwillige gesalzene Buttermilch und Zwiebeln, die gegen Austrocknung helfen sollen. Mit Taschentüchern und Schals schützen die Menschen ihre Gesichter gegen die sengend heiße Luft. Jugendliche umlagern Wasserbecken und springen in Flüsse, Erwachsene suchen den Schatten.

Zeitungen berichten seitenweise über die Hitzewelle. „Obdachlose backen in Blechhütten“ und „Vögel und Tiere fallen tot um“ lauten die Schlagzeilen.

Die Schlimmste Hitze seit Jahren

In Städten wie Neu-Delhi sind Getränke-Kioske umlagert und Fruchtsäfte der Renner. Polizisten in schweißnassen Hemden regeln in der Sonne den Verkehr. Im Zoo werden die Tiere alle zwei Stunden mit Wasserschläuchen erfrischt. „Wir spritzen sogar die Reptilien ab“ sagt der Zoodirektor von Delhi, Riyaz Khan. In einigen Städten wie Chennai im Süden und Jharkhand im Osten brachten kurze Regenschauer etwas Abkühlung.

Nach Angaben eines Wetterdienstes erlebt Indien eine der schwersten Hitzewellen seit Jahren. Die Zahl der Hitzetoten allein in Andhra Pradesh liegt mit 1360 schon jetzt höher als 2003, als Telangana noch zu dem Unionsland gehörte und 1300 Hitzeopfer gezählt wurden.

In Telangana wurde der Semesterbeginn an den Universitäten um eine Woche verschoben. In eigens eingerichteten Verteilzentren gibt es gekühltes Wasser. Die Arbeitszeiten für Landarbeiter wurden verschoben, um der größten Hitze aus dem Weg zu gehen.

Den Weg hat auch der Zeitungsbote Rajaiah in Hyderabad gewählt. Er trägt die Zeitung früher am Morgen aus als sonst. „Es ist sehr schwer, bei diesem Wetter diese Arbeit zu machen, aber ich habe eine Familie zu versorgen“, sagt er.

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