G-7-Gipfel in Bayern: Dorf im Belagerungszustand

Den Ortseingang von Klais kontrolliert die Polizei, im Dorf hat sich das BKA eingemietet: Zu Besuch in einer belagerten Landgemeinde.

abgesperrter Parkplatz mit Menschen

Auf einem Parkplatz in Garmisch laden Teilnehmer des Anti-G-7-Camps eine mobile Küche aus. Foto: dpa

KLAIS taz | Wer von der Bundesstraße 2 rechts abbiegt, in das kleine Dorf Klais, merkt sofort, dass hier der Ausnahmezustand inzwischen Alltag ist: Am Ortseingang warten rund 30 Polizisten und kontrollieren jeden Wagen. Hinter dem Ortsschild haben die Beamten einen Zeltpavillon aufgeschlagen, darunter brummt ein Dieselgenerator, ein Bus mit Wasserflaschen und Verpflegung steht daneben.

Das ist keine normale Verkehrskontrolle, sondern auf Dauer eingerichtet. Um Klais legt sich der erste Sicherheitsring für den G-7-Gipfel am Wochenende. Denn von hier schlängelt sich die einzige Straße nach Schloss Elmau, dem Tagungsort. Das macht aus Klais einen Ort im Belagerungszustand.

Anwohner werden dank einer speziellen Plakette weitgehend unbehelligt ins Dorf gelassen, Journalisten müssen sich erst erklären. Ein Polizeisprecher versichert: „Aber drinnen können Sie sich frei bewegen, wir sortieren nur schon mal diejenigen aus, die hier nichts zu suchen haben. Den überregionalen Verkehr und so.“ Mit Fotos möge man sich zurückhalten: „Wir haben das BKA hier im Dorf, und die haben das nicht so gerne.“ Beamte des Bundeskriminalamts sind verantwortlich für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer.

Auf Besuch ist man in Klais eingestellt: Der Ort besteht aus vielleicht 60 Häusern, die sich eng an die Flanke des Berges schmiegen. Vor beinahe jedem zweiten baumelt ein Schild „Ferienwohnungen“, darunter klein „belegt“. Zwischen den Traktoren, Gelände- und Kleinwagen der Einheimischen fallen die vielen dunklen Limousinen mit ihren starken Motoren und den fremden Kennzeichen besonders auf. Sie stehen auf den Parkplätzen oder rollen im Schritttempo durchs Dorf. Darin immer derselbe Typ durchtrainierter, absolut humorlos dreinblickender, mittelalter Mann.

Ferienwohnungen? „Komplett ausgebucht!“

Anruf bei einer dieser Herbergen, die alle entweder nach ihrem Besitzer, der Straße oder ihren Vorzügen zu heißen scheinen: „Ursula“ oder „Koppe“, „AlpaVital“, „Am Römerweg“ oder „Sonnenhof“. „Wir sind komplett ausgebucht“, wird mitgeteilt, „mit Sicherheitskräften.“ Welche Art Sicherheitskräfte? „Na die von der Polizei halt.“ Ein ganz gutes Geschäft sei das ja schon, meint die Wirtin noch. Nächster Versuch: „Kann sein, dass die vom BKA sind. Jedenfalls sind das nicht unsere Polizisten, die sonst aus Garmisch kommen.“

Auch für die Gaststätten der Region dürfte es ein guter Start in die Saison werden. Etwas außerhalb von Klais, im Alpgasthof Barmsee, ist die Terrasse schon am Vormittag gut gefüllt. Polizisten in Shorts und T-Shirt von einer Einheit aus Hessen trinken Kaffee, lesen Bild, rauchen oder lassen sich nach dem Joggen in die Sessel plumpsen. Die rosige Bedienung strahlt mit der Frühsommersonne um die Wette: brave Gäste, die gut zahlen und das Haus ist ausgebucht.

Weitere Einschnitte für die Einwohner

Die Menschen in Klais und in den Bergdörfern der Umgebung sind dafür bekannt, dass sie ihre Ruhe schätzen. Doch neben dem ganzen Trubel und den ständigen Polizeikontrollen werden sie sich während des G-7-Gipfels weitere Einschnitte gefallen lassen müssen: Am Bahnhof – „Bayerns höchster“, wie ein Schild stolz verkündet – wird vorerst kein Zug mehr halten. Zum Häuschen der Bahnhofswärterin kommen die Dorfbewohner trotzdem zum Tratschen. Die Stimmung ist schlecht. „Was soll denn das Brimborium“, knarrt ein älterer Herr. „Der Obama, kann der nicht woanders tagen?“, brummt ein Bauarbeiter im Blaumann. „Hier fährt zwar kein Zug mehr, aber ich muss trotzdem zur Arbeit erscheinen“, klagt die Bahnhofswärterin.

Auf der anderen Seite des Parkplatzes vor dem Gebäude räumt die Wirtin des Bahnhofsstüberls gerade die Tische und Stühle auf ihre kleine, sonnige Terrasse. Die ersten Gäste tauchen schon ihre Nase in die Schaumkrone. Der am kommenden Wochenende bevorstehende Gipfel verursacht hier nur Achselzucken. „Was soll’s, Dienstag ist ja wieder Ruhe“, meint einer. Aber was er dann entdeckt, macht ihn schon etwas grantig: Gegenüber stellen Arbeiter auf einer frisch gemähten Wiese mannshohe Absperrzäune auf. „Was treiben sie denn jetzt da schon wieder?“ Tatsächlich wird hier gerade der Platz hergerichtet, auf dem die G-7-Gegner einen Teil ihrer genehmigten Demo abhalten dürfen.

Bundeswehr hilft Rotem Kreuz

Ein Lastwagen in Nato-Olivgrün rauscht an der Terrasse vorbei. Keine Reaktion: An Militär sind die Menschen hier gewöhnt. Der nächste größere Ort ist Mittenwald, in der Edelweißkaserne sind die Gebirgsjäger stationiert. Jetzt zum Gipfel schlägt die Bundeswehr auf einer Wiese am Ortsrand von Kalis ihre Sanitätszelte auf, Amtshilfe für das Bayerische Rote Kreuz.

Während es in Klais wimmelt wie in einem waffenstarrenden Ameisenhaufen, beginnt kaum zweihundert Meter hinter dem Ortsende die Ruhe: Wer das Dorf über die einzige Straße verlässt, steht bald auf einer frisch asphaltierten Piste. Hier beginnt der innere Sicherheitsbereich. Ein engmaschiger Zaun, sonst dazu da, um Lawinen zu stoppen, legt sich hier wie ein Band um Klais und Elmau. Bewacht von zwei Polizisten öffnet er sich durch ein Rollgitter über der Straße – aber nur mit spezieller Akkreditierung.

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