Luxemburg-Liebknecht-Denkmal in Berlin: Zersplitterte Revolutionen

Die Nazis zerstörten Mies van der Rohes Erinnerungsbau. Die Künstlerin Sanja Iveković hat einen spannenden Vorschlag, wie er wieder aufgebaut werden könnte.

Ein Bild des abgerissenen Denkmals

Erinnerung: Sanja Ivekovics „Ich bin, ich war, ich werde sein!“ in der daadgalerie. Foto: Krzysztof Zielinski

Das Berliner Revolutionsdenkmal ist so etwas wie ein Mythos: 1935 von den Nazis endgültig zerstört, war es trotz unzähliger Versuche nie wieder aufgebaut worden. Dennoch ist das Monument vom Friedhof Friedrichsfelde, das Ludwig Mies van der Rohe 1926 entworfen hatte, bekannt: ein düsterer modernistischer Block aus vor- und zurückspringenden Klinkersteinen. Erbaut wurde es zum Gedenken an die 1919 ermordeten Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Von der kroatischen Künstlerin Sanja Iveković kommt der wohl aktuellste Vorschlag für einen Wiederaufbau des Denkmals. „Monument to Revolution (after Mies)“ heißt ihr Entwurf, der formal an das Original anschließt. In der daad-Galerie ist er im Rahmen der Ausstellung „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ neben Zeichnungen und Videoarbeiten zum Thema zu sehen. Iveković hatte sich zuvor auf zahlreichen Biennalen mit öffentlicher Erinnerung auseinandergesetzt. Seit den siebziger Jahren beschäftigt sie sich mit Projekten im öffentlichen Raum.

Die Präsentation des Entwurfs ist an eine Bewerbung um Fördermittel angelehnt, schmucklos und clean: eine formale Projektbeschreibung, Skizzen der Bauphasen. Das Ziel der Künstlerin: Mies‘ Monument aktualisieren. Die Geschichte der Sozialen Bewegungen soll in das ursprünglich für die Arbeiterbewegung errichtete Monument mit einfließen. Dafür sollen an aktuellen Protestorten Steine – „fragmentierte Überbleibsel der zersplitterten Revolutionen“ nennt sie die Künstlerin – gesammelt werden.

Mies als roter Faden

Wie ein roter Faden führt die Miessche Denkmalgeschichte durch die Ausstellung. Die nämlich endet nicht 1935. In der DDR war das Revolutionsdenkmal nur provisorisch aufgebaut worden, weder der revolutionäre Impetus noch der radikale Modernismus waren erwünscht. Der Kampf um das Denkmal ist darum auch einer um die Deutungshoheit über den revolutionären Kampf. Und so geistert das Revolutionsdenkmal als ortlose Erinnerung an einen nie zu Ende gekämpften Kampf umher.

1951 schließlich ersetzte die DDR das Revolutionsdenkmal durch die bereinigte Gedenkstätte der Sozialisten. Zahllose Vorstöße zur Rekonstruktion des Mies’schen Entwurfs scheiterten danach.

Iveković schreibt diese Geschichte fort. Ein Kernstück ist dabei die Partizipation. Ihr Entwurf soll bei einer Realisierung von AnwohnerInnen mitgestaltet werden. So sollen die Menschen „ein Gefühl dafür entwickeln, dass es ihr Monument ist“, heißt es im Begleittext. Sie sollen die Geschichte des Aufstands als eine gemeinsame entdecken.

„Es geht darum, über nationalstaatliche Grenzen hinauszudenken und eine große Anzahl von internationalen antifaschistischen, Arbeiter- und linken Organisationen, Gewerkschaften und Frauenrechtsorganisationen in einen kollektiven Prozess der für das Monument benötigten Ziegelsteine zu bringen“, heißt es etwas umständlich in einem Statement von Iveković.

Die Installation „We will be victorious if we have not forgotten how to learn“ – ein Zitat aus Luxemburgs „Briefen aus dem Gefängnis” – versucht all diese Proteste zusammenzubringen. Ein Video zeigt Proteste in Lateinamerika, ein anderes Menschen, die Flaggen der Spanischen Republik schwenken, ein weiteres Schwarzweißaufnahmen jubelnder Männer, vermutlich während der Novemberrevolution. Immer wieder jaulen Kampflieder dazu auf, die „Internationale“ und „Bella Ciao“ – in diesem kakofonen Chor verschwimmen Ort und Zeit der Aufnahmen. Im Hintergrund laufen in Endlosschleife Zitate aus Luxemburgs „Gefängnisbriefen“ über einen Bildschirm.

Abfolge der Proteste

Verständlicher macht die Verschränkung von Protesten und Erinnerung eine Zeitachse, die die Ausstellung wie eine Klammer umschließt. Sie beginnt 1910 und erzählt die revolutionären und antikolonialen Kämpfe nach, jene um Frauenrechte – und die des Mies-Denkmals.

Es ist erstaunlich, was sich anhand des Umgangs mit diesem alles erzählen lässt: die Bilder­stürmerei des Nationalsozialismus, der Konservativismus der DDR, die Zersplitterung der sozialen Bewegungen. Durch dieses historische Aufdröseln und den neuen Entwurf inszeniert Iveković eine symbolische Vereinigung. Denn der Zeitstrahl macht die Wende von organisierten Massenrevolten hin zu verstreuten Protesten deutlich. Immer seltener werden Aufstände und Umstürze in Europa wie der Sturz Milošević’ in Serbien.

Der Ausstellungstitel „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ übrigens stammt aus einem Gedicht von Ferdinand Freiligrath. Rosa Lu­xemburg hatte sich die Zeile kurz vor ihrer Ermordung ausgeliehen für ihre berühmten Worte: „Eure ‚Ordnung‘ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon rasselnd in die Höh‘ richten und zu eurem Posaunenklang verkünden: ‚Ich war, ich bin, ich werde sein!‘“

Für Iveković ist diese Durchhalteparole, die Erinnerung an die Geschichte des sozialen Kampfes, wichtig. Interessant aber ist, dass die Ausstellung vor allem eins zeigt: Wie intransparent und manipulativ die Erinnerung im öffentlichen Raum ist. Und wie sie mit wenigen Handgriffen ein ganz neues Bewusstsein für den eigenen Platz in dieser Welt vermitteln könnte. Erwünscht ist das nicht. Und darum bleibt Ivekovićs „Monument to Revolution (After Mies)“ Kunst. Und kein Denkmal.

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