Kommentar Griechenland-Verhandlungen: Unterwirf dich Brüssel

Athen wird vor der EU einknicken. Auch die Tsipras-Regierung hat grobe Fehler gemacht. Aber vor allem braucht die EU-Politik einen Gegenentwurf.

ein griechischer Euro

1a-Symbolbild: Der Euro-Eule steht das Wasser bis zum Hals. Foto: dpa

Jean-Claude Juncker tätschelt Alexis Tsipras die Backe. So wie es ein Fußballtrainer macht, wenn er einen Stürmer auswechselt, der rennt, aber nicht trifft. Das Bild, entstanden diese Woche, ist Symbol für das allmähliche Ende des Ringens zwischen der griechischen Regierung und den auf sinnentleerter Austerität getrimmten Eliten, die in Europa den Ton angeben. Die jungen Wilden aus Griechenland scheinen gezähmt.

Das Dramatische daran ist nicht die sich abzeichnende Niederlage der griechischen Regierung. Sondern der missglückte Versuch eines Landes, aus einer Politik auszubrechen, die in ganz Südeuropa zu Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut geführt hat. Unterwirf dich Brüssel – oder du fliegst. An dieser Maxime hat sich nichts geändert. Die Geldeintreiber setzen sich durch und schaffen es, ihr punktuelles Entgegenkommen als Barmherzigkeit zu verkaufen.

Sicher sind nicht alle Forderungen Brüssels dumm (was spricht dagegen, Reiche höher zu besteuern?), wohl aber die Kernpunkte: Griechenland soll nach Abzug seiner Zinszahlungen ein Haushaltsplus erzielen, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Es soll die Mehrwertsteuer in einer Zeit erhöhen, in der viele Griechen verarmen. Diese Politik ist nicht alternativlos, sie ist grausam.

Zu erklären ist sie nur durch eine geistige Renationalisierung wichtiger europäischer Länder. Richtig ist zwar, dass Athen Milliardenkredite bekommen hat. Mit Solidarität oder einer europäischen Idee hat das aber wenig zu tun. Ein Großteil der Kredite floss an die europäischen Banken zurück.

Keine Vision von Europa

Der Rest davon dient als Schutzmauer, um die nationale Wirtschaft nicht durch eine neue Eurokrise zu gefährden. Die Bundesregierung hat keine Vision von Europa. Sie hat eine Idee, wie der Euroraum als normierter Absatzmarkt mit möglichst geringen Unterhaltskosten bestehen bleibt.

Diese Politik braucht einen Gegenentwurf. Eine europäische Flucht nach vorn und Zumutungen für kleinkarierte Nationalisten: Ohne einen Schuldenschnitt im Süden, eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik und gemeinsame Schulden wird Europa zerfallen.

Das Beklagenswerte an der griechischen Regierung ist: Sie dient dieser Sache nicht. Weder hat sie Bündnisse für ein anderes Europa geformt, noch ist sie eine linke Alternative für den Kontinent. Davon sollte sich alle, die für ein solidarisches Europa eintreten, nicht entmutigen lassen.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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