Abgeordnete auf Exkursion: Lehren aus der Lausitz

Die Lausitzer Braunkohle sorgt für Zwietracht. Berliner Abgeordnete konnten nun im Tagebaugebiet ihre eigenen Schlüsse ziehen.

Streit um die Kohle: Greenpeace und manche Anwohner haben gegensätzliche Interessen. Foto: Claudius Prößer

Am Petershainer Fließ kommt es zum Scharmützel zwischen Umwelt und Kohle. „Sie leiten hier Wasser mit hohen Konzentrationen an Eisenhydroxid in Oberflächengewässer“, klagt der Vertreter des Berliner BUND, „in manchen Abschnitten von Bächen ist die Schicht 30 Zentimeter dick. Da findet kein Leben mehr statt!“ „Falsch“, sagt der Vattenfall-Sprecher, und der Vertreter der Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV sekundiert: „Was hier ausgeleitet wird, ist aufbereitetes Kippenwasser, da liegt der Eisengehalt im unsichtbaren Bereich. Alles dokumentiert!“

Überzeugungen prallen aufeinander am Rande der Landstraße, wo der Reisebus einen Stopp eingelegt hat. Eine Gruppe von Berliner und Brandenburger Abgeordneten, Staatssekretären und Ministern, Verbandsvertretern und Journalisten beäugt kritisch die Einleitstelle von Grubenwasser: Irgendwo unter Schotter und grünem Schilf plätschert Wasser hervor. Im Hintergrund, unsichtbar hinter Bäumen, klafft das riesige Loch des Tagebaus Welzow-Süd. Die Parlamentarier machen an diesem Mittwoch eine Exkursion in die Lausitz. An der Grenze zu Sachsen besichtigen sie die Auswirkungen der Braunkohleabbaus durch Vattenfall, später wollen sie in einer gemeinsamen Ausschusssitzung darüber diskutieren.

Graben spaltet Länder

Das Thema Braunkohle spaltet seit vielen Jahren nicht nur Naturfreunde und Strombosse, der Graben verläuft auch zwischen den Parteien sowie – quasi als tektonische Verwerfung – zwischen den Bundesländern. Besonders SPD und Linke, die in Brandenburg gemeinsam regieren, stehen im Flächenland zu der schmutzigen Energie, während die Genossen in der Hauptstadt vor dem Klimakiller warnen. Ähnlich sieht es bei der CDU aus. Die Grünen sind die einzige Partei, die in beiden Parlamenten vertreten ist und hier wie dort ein rasches Ende der Kohlebergbaus fordern.

Gruppenbild mit Reisebus: Parlamentarier und Journalisten am Petershainer Fließ. Foto: Claudius Prößer

Auf eine Initiative der Grünen hin hatte das Abgeordnetenhaus im Januar in seltener Geschlossenheit den Senat aufgefordert, sich im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung gegen die geplante Erweiterung des Tagebaugebiets Welzow-Süd einzusetzen. Den Brandenburgern schmeckte das wenig, aber in einem Versuch, die Wogen zu glätten, luden die Potsdamer Ausschüsse für Wirtschaft und Energie sowie Infrastruktur und Landesplanung die Berliner Ausschüsse für Wirtschaft und Stadtentwicklung zur gemeinsamen Vor-Ort-Sitzung ein. Am Ende stießen neben Regierungsvertretern auch die Mitglieder der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ zur Gruppe.

Auf der Fahrt rund um den Tagebau lernen die Abgeordneten, von denen etliche noch nie in der Lausitz waren, so einiges. Etwa, dass so ein Tagebau ganz schön groß ist, wenn er sich vor einem auftut. Oder dass Vattenfall und LMBV bereits einiges auf die Beine gestellt haben, um das Problem der „Verockerung“ in den Griff zu bekommen.

Das rostfarbene Eisenhydroxid entsteht beim Abbaggern der oberen Bodenschichten und gelangt beim Abpumpen der Grube in Bäche und Flüsse. Der Oberlauf der Spree leuchtet seit Jahren an vielen Stellen rostrot, in Berlin sah man bereits sorgenvoll der ekligen Welle entgegen.

Das wird wohl nicht passieren – weil die Eisenverbindungen zu schwer für die Reise sind, wie LMBV-Geschäftsführer Klaus Zschiedrich betont, aber auch, weil „Grubenwasser-Behandlungsanlagen“ den Stoff herausholen. Angetan wirken die Besucher, als sie durch eine nagelneue Anlage geführt werden, wo die schimmernde Brühe in Becken verwirbelt und mit Flockungsmitteln versetzt wird, bis das Eisenhydroxid als Schlamm von riesigen Rechen herausgekratzt wird. Aus Silos wird noch eine Prise Rüdersdorfer Kalk zugegeben: Er erhöht den pH-Wert des sauren Grubenwassers.

Piraten auf der Brücke: Die Berliner Abgeordneten Philipp Magalski (ganz links) und Simon Kowalewski (links) lassen sich ... Foto: Claudius Prößer

Was die Anlage nicht leistet: Sie belässt die Schwefelsalze im Wasser, die über kurz oder lang den Weg in die Spree finden. Diese Sulfate sind nicht giftig, aber ab einem gewissen Grad problematisch. Der mit Vattenfall vereinbarte Zielwert für die Berliner Spree von 220 mg/l wurde 2014 an einer Messstelle mit 280 mg/l klar überschritten. Für den SPDler Daniel Buchholz, der seine Fraktion im Umweltausschuss vertritt, stellt sich die Frage, ob Grenzwerte angebracht seien, deren Überschreitung Sanktionen nach sich zieht.

... die Ausflockung von Eisenhydroxid aus dem Welzower Grubenwasser erklären. Foto: Claudius Prößer

Vergleiche mit China

Auf der Sitzung der Ausschüsse im Seehotel Großräschen wird dann deutlich, dass die Berliner Umweltbedenken in Brandenburg eher am Rande interessieren. Hier geht es um Infrastruktur und um Jobs. Die schlechte Klimabilanz der Kohle? Da verweist Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Albrecht Gerber (SPD) mal eben auf den bombastischen CO2-Ausstoß Chinas.

Aus eigener Anschauung lernen die Berliner Abgeordneten an diesem Tag auch, dass die Bevölkerung am Rande der Tagebaue geteilter Meinung ist. Am „Welzower Fenster“, einem Aussichtspunkt auf den Tagebau, warten mehrere Gruppen auf die Besucher: neben einer Greenpeace-Brigade und Anwohnern, die sich für Welzow-Süd II nicht umsiedeln lassen wollen, auch aufgebrachte Menschen, die von der Braunkohle leben. „Sind Sie überhaupt von hier?“, schreit einer von ihnen die Gruppe der Gegner an. Und: „Haben sie schon mal ohne Strom gelebt?“

Die Sitzung in Großräschen verläuft bemerkenswert harmonisch. Man will weder schlechter Gast noch Gastgeber sein. Vielleicht geht es beim nächsten Treffen mehr zur Sache, das gleich mehrere vorschlagen. Die Grünen-Abgeordnete Silke Gebel weiß sogar schon, wo das stattfinden könnte: im Berliner Wasserwerk Friedrichshagen.

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