Kommentar Griechenland-Krise: Zerstörtes Vertrauen

Das Geldsystem beruht auf Vertrauen, das nun zerstört ist. Selbst wenn die Griechen im Euro bleiben sollten: Das Ende der Währungsunion hat begonnen.

Zwei Männer halten brennende Euroscheine in der Hand

Der Euro wird von innen gesprengt – oder angezündet. Foto: dpa

Wir erleben Weltgeschichte. Was immer in Griechenland in den nächsten Tagen passiert – es wird die Eurozone verändern. Die Auflösung der Währungsunion hat begonnen, selbst wenn die Griechen jetzt im Euro bleiben sollten.

Für das schleichende Ende der Eurozone gibt es ein neues Symbol: die geschlossenen Banken in Griechenland. Jedes Geldsystem beruht auf Vertrauen, und dieses Vertrauen ist nun zerstört.

Die EZB selbst hatte keine Wahl: Sie konnte nicht ignorieren, dass es keinerlei Verständigung zwischen der Eurozone und Griechenland gibt. Also musste die Zentralbank ihre Notkredite an die griechischen Banken deckeln.

Die Schuld liegt bei den europäischen Regierungen, die den Griechen ein einseitiges Spardiktat aufoktroyieren wollten. Die Finanzminister haben keinerlei Angebot unterbreitet, das sich tatsächlich Angebot nennen ließe. Zwar war in den vergangenen Monaten immer wieder davon die Rede, man hätte „sich aufeinander zubewegt“ – doch in Wahrheit haben nur die Griechen Zugeständnisse gemacht. Der Rest der Eurozone schaltete auf stur.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Griechen doch noch nachgeben. Die meisten Wähler wollen im Euro bleiben – und sie wollen ihr Vermögen retten, das nun bei den Banken festgefroren ist.

Von innen gesprengt

Wenn sich die Griechen unterwerfen, wäre dies jedoch kein „Sieg“ für die anderen Finanzminister. Denn die Angst wird sich durch die gesamte Währungsunion fressen. Wann immer ein Land in die Krise gerät, werden seine Bürger panisch die Konten räumen. Noch schlimmer: Da es als denkbar gilt, dass Länder die Eurozone verlassen, wird dieses Risiko von den Banken „eingepreist“ und in den Zinsen berücksichtigt.

Schon jetzt müssen italienische, spanische oder portugiesische Firmen höhere Kreditzinsen als deutsche Unternehmen zahlen, nur weil sie in Italien, Spanien oder Portugal sitzen. Dies verzerrt den Wettbewerb – und zwar ständig zugunsten von Deutschland. Der Euro wird von innen gesprengt, noch während er existiert.

So paradox es erscheint: Gerade die Krise in Griechenland wäre die Chance gewesen, für immer deutlich zu machen, dass die Währungsunion bedingungslos zusammensteht – und sie damit zu konsolidieren. Doch die Finanzminister gehen genau den anderen Weg. Wir erleben den Anfang vom Ende.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.