Kommentar Verhandlungen mit dem Iran: Jenseits der Atomfrage

Iran und der Westen nähern sich im Atomstreit vorsichtig an. Aber es geht um viel mehr: Wird der Iran am Ende zum Verbündeten?

zwei Männer sitzen sich an einem gedeckten Tisch gegenüber, dahinter die Fahnen von USA und Iran

US-Außenminister Kerry (links) und sein iranischer Amtskollege Sarif im Gespräch am 30. Juni in Wien. Foto: reuters

Die EU will Teile der im Atomkonflikt gegen den Iran verhängten Sanktionen um eine weitere Woche ausgesetzt zu lassen. Dies deutet darauf hin, dass die Hoffnung auf eine Einigung in den nächsten Tagen stark gestiegen ist.

Die USA scheinen den Optimismus der Europäer zu teilen. Offenbar hat der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif nach seiner Beratung mit der iranischen Führung in Teheran neue Kompromissvorschläge mit nach Wien gebracht. „Wir sind alle hier, um ein Abkommen zu erzielen, und ich glaube, dass wir es auch schaffen werden“, sagte er nach einem Gespräch mit seinem amerikanischen Kollegen John Kerry.

Für die iranische Wirtschaft, die sich seit drei Jahren in einer tiefen Krise befindet, wäre eine Einigung von großer Bedeutung.

Mehrere hundert Milliarden Dollar iranisches Guthaben, die bei ausländischen Banken auf Eis liegen, würden frei werden und die Wirtschaft wieder spürbar in Schwung bringen. Auch die Aufhebung der lähmenden Einschränkungen der Banktransaktionen, des Außenhandels, vor allem des Ölexports und der Schifffahrt, werden das Land aus der Isolation herausholen.

Niederlage für Islamisten

Die Frage ist nur, ob die Sanktionen unmittelbar nach der Einigung vollständig aufgehoben (wie es Iran fordert) oder nach und nach ausgesetzt, nicht aufgehoben werden (wie es der Westen möchte).

Ein Erfolg bei den Verhandlungen würde auch politisch gewichtige Veränderungen für den Iran bringen. Wahrscheinlich würde dies der Regierung von Hassan Rohani und den Reformern bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr die absolute Mehrheit sichern, ebenso wie im darauffolgenden Jahr die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten.

Den extremen Islamisten hingegen würde eine Einigung eine herbe Niederlage zufügen. Nicht zu Unrecht befürchten sie, dass ein Abkommen im Atomkonflikt nicht nur die Tore des Landes für ausländische Unternehmen, sondern auch für die verschmähte westliche Kultur öffnen und damit die Legitimation des islamischen Staates unterhöhlen würde.

Strategische Architektur des Nahen Osten

Tatsächlich könnte der Westen über die wirtschaftlichen Vorteile hinaus, die er auf dem iranische Markt erzielen würde, die Absicht haben, Iran mittelfristig in eine neue strategische Architektur für den Nahen Osten zu integrieren. Iran hat inzwischen seinen Einfluss im Nahen Osten erheblich gesteigert. Ohne die Islamische Republik lassen sich die Probleme im Irak, in Syrien, Libanon, Jemen, ja sogar in Palästina kaum lösen.

Anders als Saudi-Arabien und andere Staaten am Persischen Golf, deren Regime langfristig nicht zu halten sein werden, wäre Iran unter der Voraussetzung einer Annäherung an den Westen und eines ideologischen Wandels wohl ein verlässlicherer Partner. Die USA und auch die Europäer machen keinen Hehl aus dieser Absicht. Nicht selten hat US-Präsident Obama betont, dass es bei den Verhandlungen um mehr gehe als um die Lösung des Atomkonflikts.

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