Folgen des Referendums in Griechenland: Wenn Griechen „Ja“ sagen...

Die Auswirkungen eines „Ja“ auf die Europäische Union, Syriza und die griechische Wirtschaft.

Demo für die EU-Reformpläne in Athen

„Nai“ heißt „Ja“ – zumindest in Griechenland. Foto: dpa

Wie die EU ihren Vorteil nutzt

Nach dem Ja macht EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker einen riesigen Freudensprung. Denn er hatte als Erster und uneingeschränkt für ein Ja geworben –„egal, wie die Frage lautet“. Auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem dürfte jubeln. Für den Niederländer geht es nämlich auch um eine neue, zweite Amtszeit als Anführer des Euroclubs. Die Griechenland-Krise ist für ihn eine Feuerprobe.

Danach müssen Juncker und die anderen Euroretter überlegen, wie sie weiter vorgehen wollen. Denn der letzte Reform- und Sparplan, über den die Griechen abstimmen sollen, ist laut Beschluss der Eurogruppe vom Samstag vom Tisch. Auch das 2. Hilfsprogramm ist abgelaufen; die von Athen beantragte Verlängerung wurde abgelehnt. Vermutlich würde ein Sondertreffen der Eurogruppe einberufen, um die nächsten Schritte zu klären.

Dabei dürften die Euro-Minister versuchen, ihren alten Plan wieder aus der Versenkung zu holen und schmackhafter zu machen. Außerdem werden sie die Europäische Zentralbank auffordern, das Land weiter mit Notkrediten zu stützen. Die Drohung eines Grexit wäre damit wohl endgültig vom Tisch.

Schnell dürfte es jedoch nicht gehen. Denn nach dem Ja aus Athen würde die EU darauf lauern, dass die Linksregierung zusammenbricht und Neuwahlen kommen. Seinem ehemaligen Freund Alexis Tsipras würde Juncker wohl keine Träne nachweinen.

Was nach der Niederlage mit Tsipras passiert

Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich bereits so stark für das Nein eingesetzt, dass ein Ja einer politischen Demontage gleichkäme. In diesem Fall werde er entsprechend der Verfassung handeln – denn er sei kein „Allwetter-Ministerpräsident“ und klebe nicht an seinem Stuhl, sagte Tsipras neulich. Das Wort Rücktritt wollte er dabei allerdings nicht aussprechen.

Viele Kommentatoren in Griechenland verstehen Tsipras’ Aussage so, dass er umgehend oder spätestens für den Herbst Neuwahlen ansetzt und dabei auch selbst erneut kandidiert – wohl wissend, dass seine Umfragewerte immer noch gut sind. Zudem hatten die heutigen Oppositionsparteien nach ihrer Wahlniederlage am 25. Januar kaum Zeit, sich neu zu formieren, was ebenfalls für Tsipras spricht.

Für den Fall, dass die Ja-Befürworter am Sonntag gewinnen, hat Finanzminister Gianis Varoufakis seinen Rücktritt bereits angekündigt.

Zuvor hatte es Spekulationen über eine Regierungsumbildung nach dem Referendum gegeben. Eine Große Koalition oder eine „Regierung der nationalen Einheit“ in Athen wären denkbar, aber eher unwahrscheinlich. Viele Syriza-Politiker lehnen diesen Weg schon heute mit dem Hinweis ab, die Linke dürfe den Wählerauftrag nicht verraten. Zum anderen würde der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras nur dann einer Großen Koalition zustimmen, wenn Tsipras außen vor bliebe.

Wie die Wirtschaft tiefer in die Krise rutscht

Entscheiden sich die Griechen dafür, die Auflagen der Geldgeber wie gefordert zu erfüllen, spitzt sich die wirtschaftliche Lage weiter zu. „Die von den Gläubigern geforderten Maßnahmen lösen die eigentlichen Probleme der griechischen Wirtschaft nicht“, sagt der Ökonom Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Die Kürzung der Renten führt zu einem weiteren Einbruch der Nachfrage, der ohnehin rückläufige Handel wird weiter einbrechen. Geschäfte und Unternehmen müssen schließen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird diese Entwicklung beschleunigen. „Wir werden eine verlängerte Rezession erleben“, sagt der Ökonom Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Böckler-Stiftung. Mehrwertsteuererhöhungen für das Hotel- und Gastgewerbe treffen den einzigen Wirtschaftszweig hart, der gut funktioniert und aktuell Wachstumspotenzial hat: den Tourismus. „Die Preise werden stark steigen“, sagt Horn. „Die Tourismusbranche, die im internationalen Wettbewerb steht, wird Probleme bekommen.“

Die Gläubiger fordern zudem die Privatisierung wichtiger Infrastruktur wie der Regionalflughäfen in den Urlaubsgebieten. „Eine Sturzprivatisierung vermindert die Preise, die zu erzielen wären“, sagt Horn. Zwar spült der Verkauf Geld in die Staatskasse – aber viel weniger, als möglich wäre. Dass Bauern künftig nicht mehr von der Steuer auf Diesel befreit sind, hemmt den Ausbau der landwirtschaftlichen Produktion.

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