Hingebungsvoll

Leidenschaft Die Anbetung von Gitarren, als Lichtgestalten gehuldigte Musiker und massig kunstvoll gestaltete Schallplattencover: Mit der „Passion“-Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien wird „Fan-Verhalten und Kunst“ am Beispiel der Rockmusik durchgespielt

Gepflegtes Fantum: das „Marilyn Manson Monument“ von Candice Breitz, 2007 Foto: Candice Breitz/Courtesy of Francesca Kaufmann, Mailand, White Cube, London und Yvonne Lambert, New York

von Thomas Mauch

Kar, die Beatles. Die Fab Four können in diesem Zusammenhang einfach nicht fehlen. Da gibt es beispielsweise Fotos von Frieder Butzmann zu sehen, in jungen Jahren, als Beatles-Fan. Das ist schon für sich sehr hübsch zu gucken. Und hübscher noch, dass man den Experimentalmusiker Butzmann auch hören kann, wie er in reiferen Jahren mit Hingabe den Beatles-Hit „Help!“ für seine Verhältnisse eindrucksvoll zurechtrückt.

Es geht also um eine Sache, die zur Leidenschaft aufruft. Es geht um Popmusik. Die doch einigermaßen bedeutungslos wäre ohne den Fan, der eben schon etwas mehr als nur ein Rezipient ist.

Dieses „mehr“ findet in der Ausstellung „Passion“ im Künstlerhaus Bethanien zu seinem Ausdruck, „Fan-Verhalten und Kunst“ – so der Untertitel – nehmen sich fest bei der Hand.

Dabei ist in der vom Künstlerhaus-Leiter Christoph Tannert zusammengestellten Schau noch nicht einmal sonderlich viel Musik zu hören, was einem damit vor Augen führt, dass die (zu hörende) Musik selbst eben nur ein Teil ist im größeren Zusammenhang Popmusik, der Pop erst wird mit den Kleidungsstilen, den Inszenierungen, den Identifikationen und den Fetischen wie den Schallplatten, die ein Fan nun mal so braucht zu seinem Tun.

Zu sehen ist bei „Passion“ prinzipiell dreierlei: praktiziertes Fantum, bei ihrem Tun beobachtete Fans und vor allem zur Kunst geklärte Fanpositionen, in einer vergnüglich zu guckenden Schau. Wahrscheinlich wirkt sie bei der Beschau aus einer Fanperspektive heraus oder wenigstens mit einem grundsätzlichen Interesse an den rockmusikalischen Umtrieben und Verästelungen – als bestätigende Spiegelung – noch eindrucksvoller. Auch, weil mit einem streng künstlerisch argumentierenden Standpunkt, mancher Beitrag durchaus zweifelhaft geschmäcklerisch scheint. Ein Fan aber verzeiht schon mal den Kitsch.

Schließlich geht es hier um Huldigungen. Gitarren werden angebetet. Und Musiker. Massoud Graf-Hachempour zeigt Brian Eno als auratische Lichtgestalt, Jason Lazarus den Sonic-Youth-Gitarristen Thurston Moore in einem konzeptuellen Porträt als ein gefaltetes Stück Papier. In einem Video von Jörg Buttgereit ist zu sehen, wie er sich mit dem Wahren Heino und anderen 1982 im SO36 den Spaß gönnte, in die Rolle der Comic-Hardrocker Kiss zu schlüpfen. Candice Breitz dokumentiert in ihrer „Monument“-Serie die Inszenierungen von Fangruppen, die als Abba oder Marilyn Manson samt der jeweiligen Entourage posieren. Ziemlich viele Kassettenrekorder sind in der Schau zu finden (besonders apart das von Via Lewandowsky als Miniaturbühne eingerichtete Exemplar, samt Nebelmaschine). Und natürlich Schallplatten: die von Daniel Richter gestalteten Plattenhüllen für die Goldenen Zitronen oder Chicks on Speed und die Cover von Raymond Pettibon für Black Flag und Sonic Youth.

Etwas weiter in den Bereich der konzeptionellen Kunst hinein getrieben bekommt man den Fetisch Schallplattenhülle von Markus Wirthmann, der bei seiner Arbeit „Songs from the Wood“ schlicht die Labeletiketten des besagten Jethro-Tull-Albums auf verschiedene Holzplatten im LP-Hüllen-Format aufklebte. Insgesamt neun Exemplare, wieder zu einem großen Quadrat arrangiert. Wieso Wirthmann dabei nur das Label der A-Seite des Tull-Albums verwendete, wirft natürlich sofort Fragen auf: Hat ihm etwa die B-Seite der Platte einfach nicht so gut gefallen?

Um „Fan-Verhalten und Kunst“ geht es in der Schau „Passion“ im Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Straße 10. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, zu sehen ist sie bis 9. August, Di.–So. 14–19 Uhr.

Ein begleitendes „Passion“-Filmprogramm gibt es im fsk-Kino und im Kino der Brotfabrik. Dort hat das Programm mit Musikfilmen mit Ornette Coleman, Grateful Dead, Bob Dylan und anderen bereits gestartet. Im fsk-Kino gibt es vom 16. bis 19. Juli unter anderem Filme mit DDR-Bezug (zu Renft und Ornament & Verbrechen) und die Beatles-Hommagen von Klaus Beyer, Berlins Henri Rousseau der Fab-Four-Deutung, zu sehen.

Diese aus einer Fanperspektive einigermaßen beklemmende Frage konnte man dann am Donnerstag bei der Eröffnung der „Passion“-Schau raus in den Künstlerhaus-Hof tragen, wo an diesem Abend als Zugabe das praktiziert wurde, um was sich drinnen alles dreht. Musik.

Der Auftritt des Berliner Trios Ziguri klang dann wie eine Liveübertragung aus einem deutschen Krautrockkeller, in etwa aus dem Jahr 1971. Da hörte man diesen pulsierenden, zur Trance treibenden Repetitionsrock, man hörte die völlig irrationalen Richtungswechsel samt rudimentären Songstrukturen, man hörte sogar noch zerschlissene Reste von Blues. Das ganze Krautrockprogramm. Schaute man auf die Bühne, sah man dort drei ältere Herren, Günter Schickert, Udo Erdenreich und Dieter Kölsch, die vor wenigen Jahren nach langer Pause ihr Ziguri-Projekt wieder aufleben ließen. Im „Passion“-Rahmen konnte man es selbst als Ausstellungsstück hören. Ein Kippbild, mit dem man über die zeitliche Gebundenheit (Krautrock als eine historische Praxis) und eine fortdauernde Aktualität (Krautrock als wieder hippe, recht breit rezipierte Angelegenheit) reflektieren durfte.

Wahrscheinlich aber ist die Sache ganz einfach: Die drei mögen halt ihre Musik genau so. Da geht es um Hingabe. Leidenschaft. Eine Passion. Wie das auch in der Schau zu sehen ist: In ihrer Sache haben die Fans immer Recht.