Tour de France: Schlaf der Gerechten?

Der Weltradsportverband will Dopingkontrollen auch nachts, das ist in Frankreich aber nicht erlaubt. Jetzt soll die Polizei helfen.

Rennfahrer Tony Martin

Wird er bald auch nachts geweckt? Tony Martin. Foto: AP

ARRAS taz | Bislang konnten Doper ruhig schlafen. Zwischen elf Uhr abends und sechs Uhr morgens mussten sie nicht befürchten, dass ein Dopingkontrolleur bei ihnen vorstellig wurde. Auf zahlreiche Antidopingexperten wirkte dies wie ein Freibrief zum Mikrodosendoping.

Der Kölner Antidopingexperte Wilhelm Schänzer, dessen Labor zu den bestausgestatteten gehört und der mit dem dortigen Equipment „die Mikrodosierung von Epo auch nach Tagen noch für nachweisbar“ hält, befürwortet daher Nachtkontrollen als „Mittel der Abschreckung“. Die Reformkommission der UCI empfahl dem Weltradsportverband, Nachtkontrollen vorzunehmen.

Bei den Radprofis und ihren Betreuern stieß dieser Vorschlag auf unterschiedliche Resonanz. Adriano Malori, italienischer Zeitfahrmeister und Teamgefährte des Tourmitfavoriten Nairo Quintana, lehnte ein solches Ansinnen strikt ab: „Wir stehen schon von sechs Uhr morgens bis elf Uhr abends zur Verfügung. Ich denke nicht, dass es gerecht ist, dann auch noch um drei Uhr morgens geweckt zu werden. Es muss ein Gleichgewicht zwischen Kontrollen, so richtig sie sind, und dem Respekt vor der Arbeit geben. Und wenn ich mir erlauben würde, diese Frage an einen Fußballprofi zu richten, so weiß ich nicht, was er mir antworten würde.“

Der Niederländer Tom Dumoulin, bis zu seinem verletzungsbedingten Ausscheiden auf der dritten Etappe Gesamtdritter dieser Tour, begrüßte indessen ausdrücklich die Nachtkontrollen: „Es ist zwar eine harte Sache. Es würde auch nicht meine Freundin glücklich machen. Aber wenn es das Leben für Doper härter macht und für mich bedeutet, dass ich eine größere Chance auf einen Sieg habe, dann ist es das wert“, meinte der Giant-Profi.

Dave Brailsford, Manager des Sky-Rennsportteams, nahm eine nachdenkliche Position ein. „Wie weit wollen wir gehen? Sollen wir Nein sagen oder alles tun für einen sauberen Sport?“, fragte der Brite bei der Pressekonferenz vor der Tour. Er warnte, dass zu häufige Nachtkontrollen den Wettkampf beeinflussen könnten. „Bereits jetzt sorgt mich, dass die großen Rundfahrten stärker durch Schlafdefizite als durch die beste Vorbereitung entschieden werden können.“ Letztlich stimmte er fatalistisch den späten Kontrollen zu.

Nachtkontrollen in Frankreich nicht zulässig

Brailsfords Beunruhigung ausgelöst hatte UCI-Präsident Brian Cookson, ein Meister in der Disziplin des Ankündigens, der von Nachtkontrollen während der Tour de France ausging. Die Gesetzeslage deckt diese aber nicht in allen Ländern.

Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher der Antidopingstiftung der UCI (CADF): „Nachtkontrollen sind eine der Strategien der CADF, die auch vom Wada- Code in Fällen gedeckt sind, in denen wir über spezifische Informationen verfügen. Wir können das aber nicht in Ländern durchführen, in denen dies die Gesetzeslage nicht zulässt.“ Zu diesen Ländern gehört nach Auskunft der CADF auch Frankreich. Ein sinnvolles Mittel im Antidopingkampf kann ausgerechnet im Gastgeberland des wichtigsten Rennens nicht eingesetzt werden.

Einen kleinen Ausweg gibt es aber doch. Bruno Genevois, Präsident der französischen Antidopingagentur AFLD, die mit der CADF die Dopingkontrollen bei der Tour vornimmt, will in einzelnen Fällen die Polizei um Hilfe bitten. „Nachtkontrollen sind gegenwärtig gesetzlich nicht erlaubt. Aber man sollte nicht dogmatisch sein. Es gibt ja nicht nur Tests. Wir können mit der Gendarmerie zusammenarbeiten und dem Zoll, wenn wir Informationen über verdächtiges Tun haben“, erzählte Genevois der Nachrichtenagentur AFP. Zumindest ein wenig Abschreckung bleibt also erhalten.

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