Krise in Griechenland: IWF-Chefin rät zu Umschuldung

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hat sich für eine Erleichterung der Schuldenlast ausgesprochen. Athens Reformliste fehlt.

IWF-Chefin Christine Lagarde

Geht auf Konfrontationskurs zu Deutschland: Christine Lagarde. Foto: dpa

WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN ap/dpa | In der Debatte um einen Schuldenerlass für Griechenland treten Differenzen zwischen dem Internationalen Währungsfonds und Deutschland zutage. IWF-Direktorin Christine Lagarde riet in Washington zu Umstrukturierungen der massiven Außenstände Athens. Nur so könnten Rettungsmaßnahmen funktionieren, sagte sie. Damit ging sie auf Konfrontationskurs zu Berlin, das einen echten Schuldenerlass skeptisch sieht.

Die Regierung in Athen muss indes schon am Donnerstag wichtige Weichen stellen: Bis Mitternacht ist eine detaillierte Reformagenda fällig. Die Bürger in Griechenland müssen sich auf eine Schließung der Banken bis einschließlich kommenden Montag einstellen, wie das Finanzministerium mitteilte.

Solange bleibt es auch dabei, dass griechische Sparer nur 60 Euro am Tag von ihrem eigenen Geld abheben dürfen. Der Mangel an Bargeld hemmt inzwischen die griechische Wirtschaft immer mehr. Die Beschränkungen für den Geldverkehr und die Schließung der meisten Banken gelten seit 29. Juni. In den Wochen zuvor hatten die Bürger Milliardenbeträge von ihren Konten geräumt. Da die Europäische Zentralbank die Menge der Notfallhilfe für die griechischen Kreditinstitute gedeckelt hat, geht auch diesen das Bargeld aus.

Angesichts der prekären Lage forcierte die Regierung in Athen ihre Bemühungen um rasche Geldspritzen. Am Mittwoch stellte sie einen Antrag für ein neues, auf drei Jahre angelegtes Hilfsprogramm des Rettungsfonds ESM und sagte die sofortige Umsetzung der damit verbundenen Renten- und Steuerreformen ab Montag zu.

Unter Zeitdruck

Die Regierung in Athen steht unter Zeitdruck. Bis Donnerstagnacht muss sie eine allerletzte Frist für die Vorlage von Reformvorschlägen erfüllen. Diese sollen dann bei einem neuen Krisengipfel am Sonntag zu einem Abkommen führen. Kommt es bis dahin zu keiner Einigung, ist ein Kollaps des griechischen Bankensystems und vermutlich auch ein Ausscheiden aus dem Euro kaum noch zu vermeiden. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich mittlerweile auf ein solches „Grexit“-Szenario vorbereitet.

In einem Brief an den ESM versprach Griechenland zwar, bis spätestens Donnerstag „Vorschläge für eine umfassende und spezifische Reformagenda im Detail vorlegen“ zu wollen. Doch Details zu den Plänen blieb die Führung um Regierungschef Alexis Tsipras zunächst schuldig.

Das Bundesfinanzministerium bekräftigte, dass es nun detaillierte Informationen aus Athen erwarte. „Dieser Antrag muss umfassend sein. Es wird nicht langen, einen Brief zu schreiben und dort mitzuteilen, dass Griechenland ein ESM-Programm wünscht“, sagte Sprecher Martin Jäger. Es brauche eine „genaue Darstellung dessen, was Griechenland an Reformvorhaben auf den Weg bringen wird“.

Strikter Verhandlungskurs

Die Bundesregierung fährt seit Monaten eine strikte Verhandlungslinie gegen Griechenland. IWF-Chefin Lagarde machte sich jedoch am Mittwoch für Schuldenerleichterungen stark. Gleichwohl müsse das Land weiter Reformen umsetzen, um Kosten zu senken. Doch zugleich fügte Lagarde hinzu: „Das andere Standbein ist eine Restrukturierung der Schulden, wir nehmen an, dass dies im speziellen Fall Griechenlands gebraucht wird, um eine Tragfähigkeit der Schulden zu erreichen.“ Diese Analyse habe sich nicht verändert.

Der IWF hatte bereits vergangene Woche Erleichterungen bei den griechischen Altschulden in Höhe von insgesamt etwa 350 Milliarden Euro angemahnt. Die griechische Regierung fordert dies auch und fühlt sich von der IWF-Analyse bestätigt. US-Finanzminister Jack Lew sprang ihr am Mittwoch ebenfalls bei. Schuldenerleichterungen seien für einen Deal nötig. Ein Grexit wäre ein „geopolitischer Fehler“, warnte Lew.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat vor einem Scheitern der Verhandlungen im Schuldenstreit mit Griechenland und einem Euro-Ausstieg Athens gewarnt. „Der „Grexit“ ist die absolut schlechteste Option für alle“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der würde Griechenland in eine fünf bis zehn Jahre dauernde Depression stürzen. Und die deutschen Steuerzahler würden deutlich mehr Geld abschreiben müssen.“

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