Euro-Länder bewerten Athens Sparpläne: Man ist skeptisch

Kommt ein neues Hilfspaket? Vielen EU-Staaten gehen die Vorschläge aus Athen nicht weit genug. Wolfgang Schäuble soll einen Grexit auf Zeit ins Spiel gebracht haben.

Wolfgang Schäuble

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und anderen Euro-Ministern gehen die Vorschläge aus Athen nicht weit genug. Foto: dpa

BRÜSSEL dpa/rtr | Ein drittes Hilfspaket für Griechenland ist noch ungewiss. Das vorgeschlagene Reformpaket der Regierung in Athen stößt bei vielen Finanzministern der Euro-Länder auf Skepsis. Ob es auf dieser Basis neue finanzielle Unterstützung für Griechenland in Höhe von rund 74 Milliarden Euro geben kann, ist offen. „Auf dem Papier sind die Vorschläge nicht gut genug“, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Samstag in Brüssel. Dort berieten die Euro-Finanzminister bei einer Krisensitzung über neue Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM für das akut von der Staatspleite bedrohte Griechenland.

Nach Angaben aus EU-Kreisen haben die Euro-Finanzminister die ersten Runde ihrer Beratungen beendet.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich skeptisch: „Wir werden außergewöhnlich schwierige Verhandlungen haben.“ Die Vorschläge aus Athen würden kein leichtes Ergebnis ermöglichen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) liegt ein Positionspapier vor, das Schäuble den anderen Eurostaaten dem Bericht der FAS zufolge am Samstag übermittelte, in dem er zwei Möglichkeiten aufzeigt: Entweder Athen bessere rasch nach, oder das Land solle die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen. Das Bundesfinanzministerium wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

„In diesen Vorschlägen fehlen zentral wichtige Reformbereiche, um das Land zu modernisieren und um über lange Sicht Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung voranzubringen“, zitiert die FAS aus dem einseitigen Papier. Deshalb könnten sie „nicht die Grundlage für ein komplett neues, auf drei Jahre angelegtes ESM-Programm bilden“.

Stattdessen fasse das Finanzministerium zwei Wege ins Auge, die noch blieben. So solle Griechenland seine Vorschläge entweder rasch und umfassend verbessern, mit voller Unterstützung des Parlaments. Das Ministerium schlug unter anderem vor, dass Griechenland Vermögenswerte in Höhe von 50 Milliarden Euro an einen Treuhandfonds überträgt, der sie verkaufe und damit Schulden abtrage.

Eurozone für fünf Jahre verlassen

Als zweiter Weg würden Verhandlungen mit Athen über eine „Auszeit“ genannt. Das Land solle nach dieser Variante die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen und seine Schulden restrukturieren. Es bleibe aber EU-Mitglied und erhalte weiter „wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung“, schreibt die Zeitung.

Ein griechischer Regierungsvertreter sagte am Samstag, Schäuble habe bei den Gesprächen in der Eurogruppe niemals die Frage eines vorübergehenden Ausscheiden des Landes aus der Eurozone aufgeworfen.

In Brüssel sagte unterdessen der slowakische Finanzminister Peter Kazimir: „Das reicht nicht für ein drittes Hilfsprogramm.“ Der maltesische Minister Edward Scicluna beschrieb die Stimmung unter den Euro-Ländern mit den Worten: „Es gibt einige, die sehr skeptisch sind, und einige, die es weniger sind.“

Vielen Staaten fehlt nach Worten des Eurogruppenchefs das Vertrauen, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die versprochenen Reformen auch wirklich umsetzen wird. Man frage sich, „ob der griechischen Regierung vertraut werden (kann), dass sie das tun, was sie versprechen“, sagte Dijsselbloem.

Das griechische Parlament hatte Tsipras in einer Nachtsitzung ein Mandat für Verhandlungen über seine Reformpläne erteilt. Sollten die Finanzminister den Maßnahmen aus Athen zustimmen, könnten sie den Weg frei machen für Verhandlungen über ein neues Hilfspaket. Falls sie jedoch ablehnen, wäre der Grexit, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum, nicht ausgeschlossen.

Griechenland brauche in den nächsten drei Jahren etwa 82 Milliarden Euro, hieß es aus Brüsseler Kreisen. Das diskutierte Hilfspaket solle rund 74 Milliarden Euro umfassen. „Wir haben es jetzt mit Finanzierungslücken zu tun, die jenseits all dessen sind, mit dem wir uns in der Vergangenheit beschäftigt haben“, sagte Schäuble. Voraussetzung für neue Hilfen sind aber Reformzusagen von Athen.

„Es muss eine Garantie geben“

Das überschuldete und von der Staatspleite bedrohte Griechenland hatte in den vergangenen fünf Jahren bereits internationale Hilfe von insgesamt 240 Milliarden Euro erhalten.

Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling verlangte: „Es muss eine Garantie geben, dass eine unmittelbare Umsetzung der Maßnahmen erfolgt.“ Das griechische Parlament müsse beschließen, dass die Spar- und Reformschritte in einem Gesetzesentwurf akzeptiert werden. Auch bei den geplanten Privatisierungen sei eine Garantie nötig.

Die Geldgeber hatten die jüngsten Spar- und Reformvorschläge Griechenlands zunächst als „eine Basis für ein neues ESM-Programm“ bewertet, wie EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte. Die Geldgeber-Institutionen bestehen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Sie hatten ihre gemeinsame Einschätzung dazu in der Nacht an Eurogruppenchef Dijsselbloem geschickt. EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte: „Wir sehen, dass es den Willen von griechischer Seite gibt, eine Einigung zu erreichen.“

Die Geldgeber haben dem Vernehmen nach der Eurogruppe auch die notwendigen Dokumente, die der ESM-Vertrag verlangt, vorgelegt. Dabei handelt es sich um eine Bewertung, ob die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Staaten bedroht ist, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist sowie eine Einschätzung des Finanzierungsbedarfs Griechenlands.

Griechenland hatte nach einer monatelangen Hängepartie ein Spar- und Reformpaket vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen. Am Sonntag kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten zu einem Sondergipfel zusammen.

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