Dum Maro Dum

Stimme Die große Dame des Bollywood-Pop, Asha Bhosle, trat zum allerersten Mal überhaupt in Deutschland auf und traf jeden Ton. Zum Schluss war ihr Konzert vor dem Haus der Kulturen der Welt eine einzige Party

1.000 Filme, 12.000 Songs, und beim Berliner Konzert singen am Schluss alle mit: Asha Bhosle Foto: Miguel Lopes

von Andreas Hartmann

Es ist ein schöner Abend, da passt es bestens, dass das Konzert von Asha Bhosle, der großen alten Dame des indischen Bollywood-Pop, auf der Wiese vor dem Haus der Kulturen der Welt stattfindet. Das Areal hat man kurzerhand in einen indischen Nippesmarkt verwandelt, auf dem man sich mit Henna bemalen lassen, Samosas verzehren und sich über die Geheimnisse vedischer Weisheiten informieren kann.

Einfach nur Bollywood-Begeisterte und ganze Familien aus der indischen Community Berlins sind zum HKW gekommen, zu Beginn des Konzerts sitzen sie noch auf den mitgebrachten Decken im Grünen, am Ende aber stehen eigentlich alle. Sie sind gekommen, um eine echte Legende zu sehen, wie Kamal Roy sagt, der indischer Abstammung ist, schon seit über 50 Jahren in Berlin lebt und weiß, wovon er spricht, er ist schließlich Vorsitzender des Indischen Kulturentrums Berlin.

Er sagt, Asha Boshle habe letztlich mehr Platten verkauft als Elvis, und sie live zu sehen sei für einen Inder etwas Ähnliches wie ein Konzert von Pink Floyd für einen Deutschen. Vor über 70 Jahren hat Asha Bhosle damit begonnen, Lieder für Bollywood-Filme einzusingen, in über tausend dieser Filme ist sie zu hören, und ganze 12.000 Songs will sie eingesungen haben, das steht sogar im Guinnessbuch der Weltrekorde. Seit er zehn Jahre alt ist und seinen ersten Bollywoodfilm gesehen hat, kennt er, wie so gut alle filmverrückten Inder, Asha Bhosle, sagt Kamal Roy, und da sei es für ihn schon etwas Besonderes, die Diva bei ihrem allerersten Konzert in Deutschland überhaupt zu sehen.

Ihr fortgeschrittenes Alter merkt man Asha Bhosle eigentlich nur dadurch an, dass sie viele Pausen braucht, in denen der Leiter ihrer Band dann ausgiebig mit dem Publikum parliert oder in denen ihre Enkelin auftritt, die als die Zukunft der indischen Popmusik angepriesen wird, auch wenn sie stimmlich noch nicht die Sicherheit ihrer Großmutter hat, die immer noch jeden Ton trifft. Und ein Stuhl steht da eben auf der Bühne, auf dessen Lehne sich Asha Bhosle abstützt.

Mitgebracht hat sie eine Band von Profimusikern, bestehend aus Bassisten, Gitarristen, Drummern, einem Mann hinterm Synthie und gleich drei Percussionisten. Und natürlich spielt einer das Harmonium, eine Art Akkordeon, ein für die indische Musik unentbehrliches Instrument. Asha Bhosles Band beweist schnell, dass sie alles spielen kann. Ihr Sound ist meist unerwartet rockig, der Gitarrist packt sogar richtige Riffs aus, doch als die Bollywood-Queen ein klassisches indisches Lied intoniert, eine Komposition ihres Vaters, wie sie erklärt, dürfen die Perkussionisten und der Harmonium-Spieler zeigen, dass sie sich nicht nur auf den gern mal schrillen und überdrehten, mal kitschtriefenden und melancholischen indischen Pop verstehen, sondern auch auf althergebrachte indische Tonkunst.

Kamal Roy erklärt einem nochmals, wie das so läuft im indischen Popbusiness und wie eng dieses verzahnt ist mit der nationalen Filmindustrie. In den Filmen wird ja andauernd gesungen, auch an Stellen, an denen der westliche Zuschauer nicht ganz verstehen mag, warum da jetzt eine Musical-Einlage hingehört. Gelegentlich singen die Filmstars selbst, meist aber bewegen sie nur die Lippen zu den Songs.

Einmal singt sie, wie Hippies spirituelle Erleuchtung und gute Drogen suchen

Die Filmlieder werden populär und diejenigen, die diese singen, zu Stars. Und der wohl größte Star von allen ist eben Asha Bhosle, die in ihrem langen Leben schon mit Popmusikern wie Boy George und Michael Stipe von REM zusammen gesungen hat. Zu hören ist bei ihr auch der ab den Sechzigern zunehmende angloamerikanische Einfluss. In einer ihrer Ansagen an das Publikum versteht man eigentlich kein Wort, weil Asha Bhosle auf Hindi spricht, es fallen in ihrer Rede jedoch deutlich vernehmbar die Namen Elvis und Bill Haley. Und in einem ihrer Songs, einem Lied aus den Sechzigern, singt sie auf Hindi, verwebt dazwischen aber auch ein Rock-’n‘-Roll-Idiom, sie singt über eine gewisse „Monica“ und über „My Darling“.

Je länger der Abend, desto größer der Hitfaktor, da ist Asha Bhosle Konzertprofi. Spätestens als „Dum Maro Dum“ kommt, ist das Konzert eine Party, auf der alle tanzen und mitsingen. Die Nummer stammt aus dem Film „Haré Rama Haré Krishna“ von 1971, den Kamal Roy natürlich auch kennt. Es geht in dem Film darum, wie Hippies im Norden Indiens auftauchen und spirituelle Erleuchtung und gute Drogen suchen.

Den Song, sagt Kamal Roy, haben selbst die Beatles mal gesungen und er sei letztlich nichts anderes als ein „Nimm Hasch!“-Lied. Eine 82-jährige Dame singt also gerade eine Drogenhymne, das ist eigentlich noch viel besser als ein Konzert von Pink Floyd.