Die Streitfrage: Sind wir alle essverstört?

Immer mehr Menschen verzichten auf Weizen, Milch, Fruchtzucker, Zitronensäure und anderes. Warum? Und warum nicht?

Ein Kind isst eine Gabel voller Nudeln

Glutenfrei, fruktosefrei, laktosefrei und ohne Histamin. Foto: ap

Glutenfrei! Laktosefrei! Fructosearm! Neue Schlagworte, die zum Kaufen anregen überall! Veggie, Bio, Rohkost sowieso. Damit wird Werbung gemacht. Es steht auf den Verpackungen, es kommt in den Radiospots, den Werbefilmen vor. Und immer mehr dieser – oft teuren – „Ohne-Produkte“ finden begeisterte Abnehmer.

Kommt hinzu, dass sich auch die stationäre Lebensmittellandschaft dem Trend anpasst: Glutenfreie Bäckereien, Laktosefreie Eisdielen sind keine Wortspielerei sondern Realität. Läden und Restaurants sind heute bestens auf die Empfindlichkeit der Kunden ausgerichtet, denn in Deutschland glaubt jeder Vierte, bestimmte Nahrungsmittel nicht zu vertragen oder gegen sie allergisch zu reagieren.

Ärztlich bestätigt sind diese „Intoleranzen“ jedoch selten. Über 90 Prozent der Leute hätten beim Verzehr von Weizen keine Probleme, so die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Zöliakie, also die chronische Erkrankung des Dünndarms, der kein Gluten verträgt, hat nur ein Prozent der Bevölkerung. Das Allergiezentrum der Charité in Berlin hat festgestellt, dass etwa drei Prozent der Erwachsenen an einer Lebensmittelallergie leiden.

Verzichten hat viele Gründen

Warum verzichten dann so viele Menschen auf bestimmte Inhaltsstoffe, ernähren sich vegan oder „Paleo“, makrobiotisch oder zuckerarm? Nicht immer weil sie krank sind, nicht immer, weil sie an Wundertränke und Detox-Zauber glauben. Viel eher wohl, weil sie gerne Neues ausprobieren oder weil sie herausfinden wollen, was ihrem Körper gut oder nicht gut tut. Vielleicht aber möchten sie auch einfach bewusster und gesünder leben.

Mitunter sind die „Ohne“-Diäten umstritten. Mediziner warnen vor den Gefahr bestimmten Ernährungstrends blind zu folgen oder sich selber eine Unverträglichkeit zu diagnostizieren. Diese Diäten seien Türöffner für - früher unbekannte - Essstörungen wie Orthorexie, die Angst vor dem „Bösen“ auf dem Teller also.

Vielleicht sind wir hysterisch geworden. Oder werden unsere Verdauungstrakte tatsächlich sensibler und unsere Gesellschaft Essens-intoleranter? Ist der neue Verzicht auf bestimmte Inhaltsstoffe ein Ernährungshype, der dazu noch die Geldbeutel der Nahrungsmittelindustrie füllt? Oder lernen wir endlich uns besser zu ernähren?

Was meinen Sie? Sind wir alle essverstört? Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 01./02. August 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns bis Mittwochabend eine Mail an: streit@taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.