Österreichischer Bahnmitarbeiter: Gegen Rassismus aufgelehnt, gefeuert

Ein türkischstämmiger Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen weist auf Diskriminierung hin. Dafür soll er gefeuert worden sein.

Ein Triebwagen der ÖBB in einem Tunnel

Im Tunnel der dunklen Gesinnung? Die ÖBB Foto: imago/Roland Mühlanger

WIEN taz | Strenge gegen Rassismus ist eine Frage der Quantität. Diesen Eindruck erweckt der Umgang österreichischer Unternehmen mit rassistischen Sprüchen von Mitarbeitern. So wurden Porsche Österreich und die Supermarktkette SPAR von den Medien gelobt, weil sie Mitarbeiter entlassen haben, die auf Facebook durch widerwärtige Postings aufgefallen waren. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) setzen sich hingegen vor Gericht mit einem ehemaligen Angestellten auseinander, der zu beharrlich Schritte gegen Rassismus und Verhetzung eingefordert hatte. Da steht einer gegen eine Phalanx fremdenfeindlicher Kollegen.

An die Begrüßung „Servus, Tschusch“, habe er sich gewöhnt, sagt Yüksel Yilmaz. Tschusch ist das österreichische Äquivalent für Kanake. Aber wenn andere diskriminiert würden, dann rege er sich auf. Diese Auflehnung gegen rassistische Sprüche, frauenfeindliche Dekorationen in Diensträumen und krasse Dienstverstöße haben ihn seinen Job gekostet. Das will der in Mödling geborene Sohn türkischer Einwanderer vor dem Arbeitsgericht in Wien nachweisen. Vor zwei Jahren haben ihn die ÖBB gefeuert – fristlos.

„Es gab keinen Tag, an dem ich nicht im Aufenthaltsraum in den über sechs Jahren meines Dienstes das Wort Tschusch als Bezeichnung für Ausländer gehört hätte. Schwarzafrikaner wurden immer als ‚Neger‘ bezeichnet“, sagt Yilmaz. Türken, auch wenn sie wie er die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, waren für die meisten Kollegen einfach Kanaken oder Tschuschen, Rumänen nannten sie pauschal Zigeuner, Slowakinnen waren allesamt Huren.

Sprüche wie „Scheiß Kanaken, Kopftuchträgerinnen“ oder „Die Ausländer werden wir samt Wien in die Luft jagen“ musste er sich in den Aufenthaltsräumen täglich anhören. Irgendwann begann er zu dokumentieren, was er beobachtete. Mit dem Handy fotografierte er Schmierereien auf den Dienstklos in Zügen. Nazi-Slogans, wie „Arbeit macht frei“ und „Sieg Heil!“ oder Sprüche wie „Stoppt Tierversuche, nehmt Ausländer!“ meldete er dem Betriebsrat und später den Teamleitern. Entfernt wurden sie monatelang nicht.

„Na und?“, soll der mit den Fotos konfrontierte Teamleiter gesagt haben. Auf den Hinweis, im Aufenthaltsraum stehe – verbotenerweise – ein Kühlschrank mit Bier, habe er Yilmaz eingeschärft: „Da steht kein Kühlschrank! Hast du das jetzt verstanden?“ Sollte er sich mit seinen Beschwerden an höhere Dienststellen wenden, „dann könnte ich nicht so schnell schauen, wie ich gekündigt werde“. So hielt es Yilmaz in seinem Gedächtnisprotokoll fest.

„Türken“, „Zigeunerbua“

Der ehemalige Kollege Ersin Ekiz, der mit Yilmaz gemeinsam die Ausbildung absolviert hat, erinnert sich, dass anfangs in den Aufenthaltsräumen die Gespräche verstummten, wenn die „Türken“ eintraten. Später hätten sich die Kollegen mit rassistischen Sprüchen nicht mehr zurückgehalten. Anders als Yilmaz hielt er aber nichts davon, sich bei Vorgesetzten zu beschweren. „Entspann dich, du weißt eh, dass das nichts bringt“, habe er ihm gesagt. Aber rückblickend hält er es für die beste Entscheidung seines Lebens, die ÖBB verlassen zu haben. Als Versicherungsvertreter hat er jetzt keine solchen Probleme.

Mit dem Handy fotografierte Yüksel Yilmaz Nazi-Slogans auf den Dienstklos in Zügen

Auch Zugbegleiter Albert Asanovsky hat sich mehrmals beim Teamleiter beschwert, wenn er „Zigeunerbua“ genannt wurde. Aber er hat dann aufgegeben, sich „gegen eine so große Menge von Kollegen mit grundsätzlich falscher Einstellung“ zu wehren. Yüksel Yilmaz gab aber nicht auf und erhielt vor zwei Jahren während eines Krankenstands eine unbegründete Kündigung zugestellt. Als er sich dagegen zur Wehr setzte und eine Begründung forderte, antworteten die ÖBB mit Entlassung.

Personalchefin Elke Peller-Kühne, die die Kündigung unterschreiben musste, erinnerte sich später vor Gericht, man habe den Rauswurf mit sexistischem Verhalten des unliebsamen Mitarbeiters begründet. Vor Gericht legte man dafür Aussagen von zwei Frauen vor, die sich über Yilmaz beschwert hätten. Eine davon widerrief ihre Aussage, die andere wollte sich an Vorfälle erinnern, die stattgefunden haben sollen, als der angebliche Frauenfeind schon entlassen war. „Das ist Blödsinn!“, sagt Ex-Kollege Asanovsky.

Auch Gerüchte, dass Yilmaz nur Frauen mit Kopftuch respektiere, seien frei erfunden. Schließlich habe er acht Jahre mit einer Christin zusammengelebt. Yilmaz hat vielmehr gegen Sexposter in den Aufenthaltsräumen protestiert: „Viele Frauen gingen in den Pausen lieber spazieren, als sich dort aufzuhalten.“ Betriebsratsvorsitzender Helmut Kopp will sich zu den Vorwürfen seiner Untätigkeit nicht äußern: „Ich kenne Sie nicht. Da könnte ja jeder anrufen“.

Urteil im August

Yilmaz hat die ÖBB auf Wiedereinstellung verklagt. In einem Schriftsatz begründet die Konzernleitung die Kündigung mit dem „verdichteten Rechtsempfinden“ des Klägers in Zusammenhang mit Alkohol am Arbeitsplatz und Klagen über „vermeintliche Diskriminierung“ aufgrund seiner ethnischen Herkunft.

Das Urteil in der Causa Yilmaz vs. ÖBB wird Ende August erwartet. Einen Vergleich, der ihm Wiedereinstellung und rückwirkende Gehaltszahlung in Aussicht stellte, habe er abgelehnt, sagt Yilmaz. Laut ÖBB war es genau umgekehrt: Yilmaz habe den Vergleich gefordert, sie hätten abgelehnt. Yilmaz ist überzeugt, dass ihm das Gericht recht gibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.