Kommentar Flüchtlinge: Ausflug in den Populismus

Auch Taschengeldkürzungen werden Menschen nicht davon abhalten, zu uns zu kommen. Der westliche Balkan braucht so etwas wie einen EU-Marshallplan.

Flüchtlinge warten vor einer Kaserne in Ohrdruf, Thüringen.

Die Taschengeldkürzungen wird sie nicht zurückhalten. Foto: dpa

Es ist ein heißer asylpolitischer Sommer. Die Zahl der Menschen, die vom Balkan oder über das Mittelmeer kommend bei uns Zuflucht suchen, will nicht abnehmen, und die Zahl der gewalttätigen Übergriffe gegen Asylunterkünfte nimmt zu. Und was macht der Innenminister in dieser brenzligen Situation? Er verspricht, er werde sich das karge Taschengeld, das Flüchtlinge bei uns erhalten, „genauer anschauen“. Soll ja keiner glauben, er könne sich in Deutschland auf Staatskosten ein schönes Leben machen.

Die Flüchtlingsfeinde können sich bestätigt fühlen, wenn sogar der Innenminister suggeriert, Flüchtlinge würden hierzulande unberechtigt in Saus und Braus leben. Das ist verantwortungslos und falsch, denn das Gegenteil ist der Fall.

Erst seit März dieses Jahres gilt die Regel, nach der Asylbewerber ein Taschengeld und, nach drei Monaten, vorrangig Bargeld statt Sachleistungen erhalten. Die alten Sätze, die 40 Prozent unter Hartz-IV-Niveau lagen, hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 als menschenunwürdig verurteilt. Und an diesem Existenzminimum will Thomas de Maizière herumknapsen? Das ist erbärmlich.

Es steht außer Frage, dass das enorme Wohlstandsgefälle in Europa und der Welt viele Menschen nach Deutschland lockt, die keine Aussicht auf politisches Asyl haben. Aber weder alberne Abschreckungsfilme noch Taschengeldkürzungen werden Menschen davon abhalten, sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland aufzumachen, um ihrer Not zu entfliehen.

Das bringt manche Behörden an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, und ja, viele abgelehnte Asylbewerber werden nicht hierbleiben können. Für die Länder des westlichen Balkans braucht es tatsächlich so etwas wie einen EU-Marshallplan, um insbesondere die Lage der notleidenden Roma zu verbessern. Aber bis der greift, sollte man in Deutschland zumindest nicht an der Menschenwürde sparen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.