Recyclingaktion von dm und Unilever: Fahrrad aus der Dose

Die Drogeriekette dm und der Konzern Unilever lassen leere Alu-Dosen sammeln und zu Fahrrädern umbauen. Doch Abfallexperten sind nicht überzeugt.

gepresste Dosen

Jetzt noch Dose, bald schon Fahrrad. Foto: dpa

BERLIN taz | Wer beim einem dm-Markt vorbeikommt, kann dort seine leere Deodose aus Aluminium zurückgeben: Seit vergangener Woche gibt es bundesweit in den Filialen der Drogeriekette neben den üblichen Boxen für alte Batterien, Papier, Folien, Lampen eine mit der Aufschrift: „Bitte werfen Sie hier Ihre leeren Aludosen ein“.

„R´cycle!“ heißt das Projekt, mitgetragen auch vom Konsumgüterkonzern Unilever. Das Ziel: Aus rund 400 Dosen soll jeweils ein Alurahmen für ein Kinderrad gebaut werden. 800 Räder sollen so entstehen, 24 Zoll groß, TÜV geprüft, die an soziale Einrichtungen gespendet werden.

Wer herausfinden will, wie gut die Idee eigentlich ist, stößt auf die 2001 in den USA gegründete und mittlerweile in Deutschland und vielen anderen Ländern ansässige Firma TerraCycle: Sie kümmert sich um die leeren Dosen. Sie sorgt dafür, dass sie in einem großen Lager in den Nordeifelwerkstätten zentral gesammelt, Verschlusskappen abgedreht, Restgase herausgeholt werden. Und dass das Aluminium geschmolzen und zu Rohren geformt wird, die dann an eine niedersächsische Fahrradmanufaktur gehen.

TerraCycle sammelt auch Stifte, gesponsert vom Kugelschreiberhersteller Bic oder Zigarettenstummel in Kooperation mit dem Tabakunternehmen Philip Morris. Auf der Homepage heißt es: „Die CO2-Emissionen werden gesenkt, da TerraCycle Lösungen für Abfall-Materialien findet, die ansonsten auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen landen würden.“

Aluminiumwerke sind tatsächlich so ziemlich die größten Stromverbraucher, die es gibt. Zudem bleiben bei der Herstellung giftige Reste, der sogenannte Rotschlamm.

Kein Gewinn für die Umwelt

Doch in Deutschland werde Aluminium schon heute hochwertig recycelt, erklärt Günter Dehoust, Experte für Kreislaufwirtschaft beim Ökoinstitut in Berlin. Aluminium sei trotz der Entwicklung neuer Materialien aus Kohlenstoff für die Wirtschaft nicht ersetzbar. Die Metallindustrie selbst habe ein Interesse am Recycling. Dabei fielen dann kaum noch giftige Rückstände an.

Und vor allem werde allenfalls noch fünf Prozent der Energie gebraucht wie bei der Erstherstellung aus dem Erz Bauxit. Der soziale Effekt bei dem Projekt von dm „scheint mir gut“, sagt Dehoust. Vielleicht schaffe es auch ein Bewusstsein dafür, dass Aluminium wertvoll ist. Für die Umwelt bringe es aber „keinen Gewinn“.

„Ganz nett, bewegt aber nicht viel“, sagt auch Joachim Wuttke, Abfallexperte im Umweltbundesamt. Es sei ein „Add-on“, eine Art hübsche Zugabe, doch bei der Abfallmenge, die insgesamt anfalle, habe es „keine Bedeutung“.

Imagegewinn für Unternehmen

TerraCycle sei der amerikanische Ursprung anzumerken. Die US-Amerikaner sammelten ihren Müll nicht so akribisch wie die Deutschen in unterschiedlichen Tonnen. Hierzulande gelte zudem eine Vorbehandlungspflicht für zu deponierende Siedlungsabfälle. Leere Sprayflaschen, auch Zigarettenstummel gelangten so erst gar nicht auf die Deponie. Dort lagerten allenfalls mineralische Materialien oder Schlacken aus der Müllverbrennung. Den kooperierenden Unternehmen, meint Wuttke, brächten TerraCycle-Sammelaktionen aber sicher einen „Imagegewinn“.

Hübschen Sie das Image von dm, Unilever oder Philip Morris auf? „So würde ich das überhaupt nicht sehen“, sagt Marie Schütz von Terracycle in Berlin. Ihre Mission heiße „Abfall abschaffen“. Natürlich gebe es die amerikanische Mutterfirma und säße das Forschungs- und Entwicklungsteam in den USA, trotzdem gebe es hierzulande einen „Umwelteffekt“.

Parkbänke aus Zigarettenfiltern

So schickten mittlerweile zum Beispiel auch der Flughafen Stuttgart oder der Europapark Rust Kippen zum Recycling. Aus den Filtern würden Plastikpellets gemacht – für Parkbänke, Mülleimer oder Gießkannen. Es gehe um „etwas Gutes, und wir könnten es nicht tun ohne diese Partner“. Sie arbeiteten mit mehr als 30 der weltgrößten Firmen zusammen.

Wie viel Geld dm und Unilever zahlen, sagte Schütz nicht. Auch dm bat um „Nachsicht“, dass die Firma dazu „keine Angaben machen möchte“. Geschäftsführer Christoph Werner sagte aber, sie wollten „Recycling erlebbar machen“ und „bedürftigen Kindern eine Freude“. Mit TerraCycle hätten sie einen „erfahrenen Partner“. Und die Sache mit den Mülldeponien? TerraCycle-Mitarbeiterin Schütz sagt: „Den Begriff verwenden wir, um Bewusstsein zu schaffen.“ Das Alu-Dosen-Projekt läuft bis April 2016.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.