Kommentar Syrien und die Medien: Verhandlungen sind eine Farce

Es ist schwer, gesicherte Informationen aus Kriegsgebieten zu erhalten. Aber warum vergessen viele Journalisten ihr Handwerk, wenn es um Syrien geht?

Aufräumarbeiten nach dem Luftangriff auf einen Marktplatz in Damaskus.

Aufräumarbeiten nach dem Luftangriff auf einen Marktplatz in Damaskus. Foto: imago/Zuma Press

„Government Airstrikes on Syrian Market Kill More Than 80“: So lautet die Schlagzeile zum jüngsten Massaker des syrischen Regimes in der New York Times. Spiegel Online hingegen titelt: „Aktivistenbericht: Dutzende Tote bei Luftangriff auf die syrische Stadt Duma“. Schon im Titel wird so die Information über den Luftangriff entkräftet.

Zudem wird kein Täter benannt, sondern das beliebte Spiel gespielt, dass man gar nicht wissen könne, wer in Syrien Aggressor ist und wer Opfer. Auch tagesschau.de unterstreicht, dass die Informationen schwer überprüfbar seien.

Duma ist ein Stadtteil von Damaskus, der seit zwei Jahren vom Assad-Regime ausgehungert wird. Warum ist das keine verwertbare Information? Während des massiven Beschusses eines Marktes trifft sich der neue UNO-Nothilfekoordinator Stephen O‘Brien mit Vertretern der Regierung, um „den Zugang der notleidenden Bevölkerung zu humanitärer Hilfe zu erleichtern“.

Auch dieser Fakt wird nicht kontextualisiert. Wie aussichtsreich sind humanitäre Verhandlungen, wenn die Luftwaffe noch am selben Tag ein Massaker an den Bewohnern verübt? Genau, sie sind eine Farce. Das Regime verhandelt nur bei Androhung einer Intervention.

Die Gleichsetzung des Regimes, das über eine Luftwaffe verfügt und bis heute Chemiewaffen einsetzt, mit Rebellengruppen, ist schlechter Journalismus. Natürlich ist es schwer, gesicherte Informationen aus einem Kriegsgebiet zu bekommen. Aber damit lässt sich umgehen.

So benennt die New York Times unterschiedliche Quellen und stellen einen Bezug her. Reuters wird zitiert, auf Videos von Aktivisten verwiesen sowie auf einen Arzt als Augenzeugen und schlussendlich erwähnt, dass die NGO The Syrian Observatory for Human Rights ähnliche Opferzahlen hat.

Und auch nicht vergessen, dass die staatlichen Nachrichten das Massaker unerwähnt lassen. Warum nur vergessen so viele Journalisten ihr Handwerk, wenn es um Syrien geht?

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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