Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: Die PLO braucht einen neuen Chef

Abbas und weitere Mitglieder des PLO-Exekutivkomitees kündigen ihren Rückzug an. Die Autonomiebehörde will Abbas aber nicht aus der Hand geben.

PLO-Komitee-Mitglieder bei Koranlektüre stehend am Konferenztisch.

Koranlektüre vor der Sitzung: PLO-Exekutivkomitee mit Mahmud Abbas (m.) am Tischende. Foto: dpa

JERUSALEM taz | Will Mahmud Abbas seinen Rückzug aus dem politischen Leben vorbereiten oder geht er mit neuen Partnern an der Spitze der Palästinensischen Befreiungsorganisation in den Endspurt seiner Karriere? Die Ankündigung des Palästinenserpräsidenten, von seinem Posten als Chef des Exekutivrats der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), der Dachorganisation der Palästinenser, zurückzutreten, lässt politische Analysten im Westjordanland rätseln.

Die Ostjerusalemer Tageszeitung Al-Quds spekulierte am Montag über einen „Coup“, mit dem Abbas auf den vor gut einem Jahr vereinbarten und doch gescheiterten Versöhnungsprozess zwischen seiner moderaten Fatah und der islamistischen Hamas abziele. Der Palästinenserpräsident habe eine „Tendenz zu subjektiven Entscheidungsprozessen“, kommentierte das Blatt.

Zusammen mit Abbas kündigten zehn weitere Mitglieder des insgesamt 18-köpfigen PLO-Exekutivkomitees, höchstes Gremium der Organisation, ihren Rücktritt an. Innerhalb von 30 Tagen müssten Neuwahlen stattfinden. Das Amt des Präsidenten bleibt unangetastet.

„Die Zeit drängt“, hatte Abbas, der im März seinen 80. Geburtstag feierte, israelische Politiker unter Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter zu ernsthaften Friedensverhandlungen angetrieben. Abbas hatte in der Vergangenheit wiederholt einen Rücktritt als Palästinenserpräsident signalisiert, um Druck auf Israel auszuüben. Seit knapp eineinhalb Jahren liegen die Friedensverhandlungen auf Eis, auch der innerpalästinensische Versöhnungsprozess von Fatah und Hamas scheiterte.

Fatah verurteilt uniterales Vorgehen der Hamas

Denkbar ist, dass die jüngsten Berichte über ein bevorstehendes Waffenstillstandsabkommen zwischen der Hamas und Israel die jüngsten Entwicklungen in Ramallah mit auslösten. Der Politbürochef von Hamas, Khaled Mashal, bestätigte diese Woche, dass Verhandlungen stattfinden.

Im Gegenzug für eine auf mehrere Jahre festgelegte Feuerpause würde Israel eine Öffnung der Seeblockade des Gazastreifens zulassen. Die Fatah-Führung im Westjordanland hatte das „unilaterale Vorgehen“ der Hamas, die bei den Verhandlungen auf Absprachen mit der PLO verzichtete, scharf verurteilt.

Die Ankündigung von Abbas, nun als PLO-Chef abtreten zu wollen, schlug zunächst wenig Wellen. Dennoch halten es palästinensische Beobachter für möglich, dass Abbas seinem treuen Berater Saeb Erikat den Weg als Nachfolger ebnen will. „Mein Lebenslauf ist mit einem Wort vollständig“, erklärte Erikat vor Journalisten: „Friedensdelegierter“.

Seit über 20 Jahren fungiert Erikat als palästinensischer Chefunterhändler bei Friedensverhandlungen mit Israel. Um neuer PLO-Chef zu werden, müsste ihn der palästinensische Nationalrat zunächst erneut in das Exekutivkomitee wählen, damit anschließend der Exekutivrat über den Vorsitz entscheidet.

Obschon Erikat seit Jahrzehnten zur politischen Spitze gehört, gilt er nicht als aussichtsreicher Kandidat für die ganz hohen Posten. Was seine Chancen indes aktuell erhöht, ist die Tatsache, dass Abbas systematisch starke politische Köpfe aus dem Weg räumt.

Die letzten Wahlen eines Exekutivkomitees liegen fast 20 Jahre zurück. Der Nationalrat tagte zuletzt vor sechs Jahren. Viele der 740 Mitglieder müssten aus dem Exil anreisen. „Abbas irrt, wenn er glaubt, er könne nach eigener Vorstellung die PLO-Führung umgestalten“, kommentierte der Politologe Abdel Sattar Quasen von der Universität Al-Nadschah in Nablus. Um den Prozess transparent und demokratisch zu gestalten, schlägt der Politologe vor, „zuallererst Neuwahlen für den Nationalrat abzuhalten“.

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