Vergangener Ruhm zählt nicht

SCREWBALLKOMÖDIE Altmodischer denn je: Der US-Regisseur Peter Bogdanovich lässt für „Broadway Therapy“ eine Hure mit Herz auf Freier mit noch größerem Herzen treffen

Träumerisch-romantische Weltsicht: Izzy (Imogen Poots) und Arnold (Owen Wilson) Foto: Wild Bunch Germany

von Sven von Reden

„Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende“, lautet der berühmteste Satz aus John Fords „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ (1962). Zu Beginn von „Broadway Therapy“ taucht er gewissermaßen radikalisiert wieder auf: „Tatsachen sollten einer guten Geschichte nie im Wege stehen“, erklärt die erfolgreiche Jungschauspielerin Isabella Patterson einer Reporterin. Isabella hält ein Plädoyer für die Notwendigkeit von Eskapismus, Fantasien und Happy ­Endings in einer Zeit des Zynismus. Damit verpackt sie ihre eigene Legende – oder zumindest eine ziemlich euphemistische Version ihrer Lebensgeschichte, die sie der skeptischen Journalistin auftischt: Vor ihrer Zeit als Schauspielerin sei sie „Muse“ gewesen, die Männern wieder „Leben eingehaucht“ habe, erzählt sie. Tatsächlich verdiente sie ihr Geld natürlich als Prostituierte, wie der folgende Rückblick in ihr Leben zeigt.

Die Rahmenhandlung von Peter Bogdanovichs erstem Kinofilm seit 14 Jahren wirkt wie eine nachträglich hinzugefügte Rechtfertigung. Die folgende Geschichte von der Hure mit Herz, die auf einen Freier mit noch größerem Herz trifft und am Ende mit einer Schauspielkarriere belohnt wird, ist zumindest dermaßen unzeitgemäß, dass allen beteiligten Produzenten klar gewesen sein dürfte, dass sie irgendeiner Erklärung bedarf. Und Produzenten hatte „Broadway Therapy“ mehr als genug: Die Internet Movie Database listet insgesamt 23 (!) auf, darunter die Regisseure Wes Anderson und Noah Baumbach. Das deutet schon auf die problembeladene Geschichte des Projekts hin: 15 Jahre hat es laut Hollywood Reporter gedauert, bis Bogdanovich das Drehbuch endlich umsetzen konnte – und wohl nur, weil sich die jüngeren Regisseure für ihn eingesetzt haben. Vergangener Ruhm zählt wenig bis nichts in Hollywood.

Ungleiche Paare

Die Pointe ist natürlich, dass Bog­da­novich immer schon altmodisch war. Sei es, dass er besseren Zeiten hinterhertrauerte, wie in seinem ersten großen Erfolg „Die letzte Vorstellung“ (1968), oder vergangene Genres wiederaufleben ließ, wie in der Screwballkomödie „Is’ was, Doc?“ (1972) – zwischen beiden Filmen drehte er einen Dokumentarfilm über John Ford. Das klassische Hollywood der 30er bis 50er Jahre war für ihn schon immer Maßstab und Fluchtpunkt, insofern dürfte der Anachronismus-Vorwurf an ihm abperlen. Der Vergleich mit „Is’ was, Doc“ zeigt aber, wo die Probleme von „Broad­way Therapy“ liegen. Beides sind Screwballkomödien, in denen ein sehr unterschiedliches Paar aufeinandertrifft und der Humor vor allem durch Gegensätze, irrwitzige Verwicklungen und schlagfertige Dialoge entsteht. Doch „Broadway Therapy“ erreicht nur selten die Rasanz und die atemlose Witztaktung des älteren Films. Die wäre aber wichtig, um die vielen unglaubwürdigen Zufälle und Wendungen der Handlung in den Hintergrund zu rücken.

Bemerkenswert ist, dass das Drehbuch nicht um ein ­Traumpaar herum aufgebaut ist

Das unebene Drehbuch und die wenig inspirierte visuelle Umsetzung sind die Hauptprobleme des Films. Der wie immer charmant-dusselige Owen Wilson als Regisseur mit Faible für Callgirls und die etwas übermotivierte Imogen Poots in der Hauptrolle geben ein hübsches Paar ab. Komischer sind aber Nebenfiguren wie Jennifer Anniston als soziopathische Psychotherapeutin oder die Britin Lucy Punch als osteuropäisches Callgirl mit bescheidenen Englischkenntnissen.

Bemerkenswert ist, dass das Drehbuch, das Bogdanovich mit seiner damaligen Ehefrau Louise Stratten verfasst hat, nicht um ein Traumpaar herum aufgebaut ist. Auch wenn mehrere potenzielle Partner für Isabel – oder Izzy, wie sie sich als Prostituierte nannte – ins Spiel gebracht werden, triumphiert anders als in den Klassikern des Genres am Ende nicht die große Liebe über alle Unterschiede. In dieser Hinsicht war auch der in „Broadway Theory“ immer wieder direkt zitierte „Cluny Brown“ (1946) konventioneller. In Ernst Lubitschs letztem vollendetem Film ist die Titelheldin ein Dienstmädchen, das am Ende ihre „unweibliche“ Leidenschaft für das Klempnern ausleben darf und trotzdem ihren Traummann bekommt. Das wirkt allerdings auch siebzig Jahre später noch moderner als die Geschichte einer ehemaligen Prostituierten, die ihre träumerisch-romantische Weltsicht nicht aufgeben will.

„Broadway Therapy“. Regie: Peter Bogdanovich. Mit Owen Wilson, Imogen Poots u. a. USA 2014, 94 Min.