Leichtathletik-WM in Peking: Zumindest einmal Gold

Es ist nicht Olympia, aber Gastgeber China kann doch noch ein paar Medaillen sammeln. Trotzdem bleibt die große WM-Euphorie aus.

Liu Hong feiert ihren Sieg

Im Vogelnest feiert Liu Hong ihren ersten Platz. Foto: ap

PEKING taz | Am sechsten Tag war es endlich soweit. Im 20 Kilometer Gehen überquerte Liu Hong nach einer Stunde, 27 Minuten und 45 Sekunden die Ziellinie und holte das erste Gold fürs chinesische Team bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking. „Liu Hong bricht das Eis“, jubelte Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Endlich könne ehrlich gemeinte Begeisterung aufkommen, kommentierte ein Mikroblogger im chinesischen Internet den Erfolg.

Einmal Gold, siebenmal Silber, einmal Bronze – das war die abschließende Ausbeute des Gastgebers. Eine als eher mager empfundene Ausbeute. Schließlich hatten die chinesischen Organisatoren bei der Vergabe der WM vor sechs Jahren noch großspurig erklärt, es solle in Peking eine ähnliche Stimmung herrschen wie bei den Sommerspielen 2008. Damals jubelte eine ganze Nation ihren Athleten zu und freute sich, dass China das erste Mal ein so großes Sportereignis ausrichten durfte. Ein Grund der damaligen Begeisterung war auch der Medaillenregen: 51 Mal Gold, 21 Mal Silber, 28 Mal Bronze.

In diesem Jahr hingegen schraubten die Gastgeber die Erwartungen herunter. Er rechne mit nicht mehr als acht Medaillen, hatte der Präsident des chinesischen Leichtathletikverbands, Du Zhaocai, angekündigt. Das haben die Athleten sogar übererfüllt, aber eher mau war die Stimmung bis zum Ende der WM trotzdem. „Olympia war irgendwie spannender“, sagt Wei Jian, ein bekennender Leichtathletikfan, stellvertretend für viele Chinesen.

Er glaubt aber, die fehlende Begeisterung habe ihre Ursache nicht nur in den ausbleibenden Erfolgen, sondern an Fehlern der Veranstalter. Wenn sie und die Staatsmedien vorher ordentlich die Werbetrommel gerührt hätten, hätten auch viele mitgefiebert. Wenn dies jedoch ausbleibe, interessiere sich auch kaum einer. So habe er sich für die Spiele 2008 bereits ein Jahr vorher um Karten für Wettkämpfe im „Vogelnest“ kümmern müssen, Pekings berühmtem Nationalstadium. Für Wettkämpfe der Weltmeisterschaft habe er auch spontan an der Abendkasse noch Karten erhalten, sagt Jian.

Bei großen Events wurde sie bisher immer nur Vierte, Fünfte oder Sechste. Am Sonntag ist sie Erste geworden – bei der Weltmeisterschaft der Leichtathleten in Peking. Katharina Molitor warf den Speer im letzten Durchgang zur Siegerweite: 67,69 Meter. Sie hat sich lange gedulden müssen, stand viel zu oft im Schatten von Werferinnen wie Steffi Nerius, Linda Stahl oder Christina Obergföll. Molitor hatte in ihrer sportlichen Laufbahn immer zwei Optionen, denn sie ist auch eine gute Volleyballerin. Im Volleyball schaffte sie es zur Bundesligaspielerin. In den Spielzeiten 2009 und 2012 gehörte sie als Mittelblockerin zum Bundesligateam von Bayer 04 Leverkusen, das sich zwischenzeitlich aus finanziellen Gründen aus der 1. Bundesliga zurückgezogen hatte. „Ich möchte nicht auf das Volleyballspielen verzichten, mir macht das einfach unheimlich viel Spaß“, erklärte sie kurz vor den Olympischen Spielen 2012 in London. Auch nach Olympia blieb die Mittelblockerin zur Freude ihrer Mitspielerinnen im Volleyball-Team aus Leverkusen, das in der zweiten Bundesliga Nord spielte und die Tabelle nach der Hinrunde 2012 souverän anführte. In Peking steigerte sie ihre Bestleistung nun um über zwei Meter. Im Speerwurf, versteht sich. (taz)

Viele Zuschauer, wenig Smog

Tatsächlich lassen sich bei der WM nicht einmal die Staatsmedien begeistern. Zu Beginn der Meisterschaften verbreitete der Sportkanal des chinesischen Staatssenders CCTV noch jedes Wettkampfergebnis einzeln auf Chinas Twitter-ähnlichem Dienst Weibo. „Die WM findet in der Internetgemeinde kaum Beachtung“, berichtete nun aber ein Sportreporter des Staatssenders.

Seine Kollegen hätten diesen Service im Laufe der Woche daher weitgehend eingestellt. Selbst die sensationelle Finalqualifikation des Sprinters Su Bingtian, immerhin der erste Asiat, dem der Einzug in ein WM-Finale über 100 Meter gelungen ist, wurde zwar von der Presse als „bahnbrechend“, „glorreich“ oder „historisch“ gefeiert, blieb aber im chinesischen Internet – dem ungleich besseren Seismograph für die Stimmung in der Bevölkerung – weitgehend unbeachtet. Der Eintrag wurde gerade einmal 2.047 Mal retweetet.

Der ehemalige Vizepräsident des Weltathletikverbands, Helmut Digel, zog dennoch eine positive Bilanz. Es habe zwei große Probleme vor der Weltmeisterschaft gegeben: die Luftverschmutzung und die Zuschauer. Beides sei gut gelöst worden. Die Luftwerte der normalerweise Smog-geplagten 21-Millionen-Hauptstadt lagen die ganze Woche fast durchgehend im Rahmen der Grenzwerte. Und auch das 90.000 Zuschauer fassende Vogelnest war ganz gut besucht. So kam am Dienstagabend tatsächlich so etwas wie Stimmung auf, als die drei chinesischen Weitspringer Wang Jianan, Gao Xinglong und Li Jinzhe den dritten, vierten und fünften Platz belegten.

Zumindest die chinesische Zeitung Huasheng Ribao glaubt deshalb, dass es mit diesen Hoffnungsträgern in der chinesischen Leitathletik „in Zukunft durchaus noch mehr Überraschungen“ geben könnte. Ein Anfang sei gemacht.

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