Polizeigewalt bei Demo: Die Polizei greift an

Bei Krawallen im Schanzenviertel wurde Samstag ein Unbeteiligter von der Polizei bewusstlos geschlagen. Sanitäter wurden selbst Opfer von Gewalt.

Polizisten treten einen Demonstranten

Wird von Polizisten getreten: Bruder des Bewusstlosen Foto: Joto

HAMBURG taz | Während am Montag noch in der CDU-Fraktionssitzung spekuliert wurde, ob es „erlebnisorientierte Jugendliche“ oder gewaltbereite Linke waren, die die Situation am Samstagabend im Schulterblatt eskalieren ließen, zeigt nun ein Video, dass auch von der Polizei schwere Gewalt ausging.

Nach der friedlichen Demonstration gegen einen Naziaufmarsch war es gegen Abend doch noch zu Straßenschlachten zwischen DemonstrantInnen und PolizistInnen gekommen. „Die Stimmung war aggressiv“, berichtet ein Sprecher der Actionmedics Hamburg, eines unabhängigen SanitäterInnen-Teams, die auf Demonstrationen Verletzte verarzten. „Plötzlich stürmte eine Polizeieinheit, einen Kampfschrei brüllend, nach vorne in Richtung Rote Flora“, erzählt er.

Das zeigt auch ein Video, das seitdem im Internet kursiert: Eine Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit der Polizei, die vor der Kneipe „Saal II“ am Schulterblatt steht, stürmt los, aber ein Unbeteiligter steht ihnen im Weg.

Einer der PolizistInnen schlägt ihn mit dem Ellbogen nieder, der Mann geht zu Boden, die Polizeieinheit trampelt über ihn hinweg. Der Mann bleibt bewusstlos liegen. Sanitäter eilen herbei und drängeln sich zu dem Verletzten durch, Menschen schreien, rufen nach mehr SanitäterInnen, es herrscht Tumult.

Sekunden später kommt eine weitere Polizeieinheit von hinten dazu und stürmt in den Pulk von ReporterInnen und SanitäterInnen. Von beiden Seiten drängeln die bewaffneten PolizistInnen brutal die Menschen um den Verletzten auseinander. „Die PressevertreterInnen bildeten einen Schutzwall um uns“, berichten die Actionmedics in einer öffentlichen Stellungnahme, „die PolizistInnen schlugen mit Schlagstöcken in unsere Richtung und in die des Patienten. Wir wurden gezielt von Einsatzkräften der Polizei attackiert.“

Unter Schlägen Tritten und Fausthieben gelang es den Actionmedics, den Bewusstlosen auf die andere Straßenseite zu schaffen. „Ihr scheiß Zeckensanis!“, hätten die PolizistInnen sie angebrüllt. Ein Polizist habe einem Sanitäter im Gerangel das Visier vom Helm geschlagen und ihm mit dem Schlagstock gegen den Hals und in die Rippen geschlagen.

Ein anderer Sanitäter berichtet, dass ihm ein Polizist direkt ins Gesicht schlug, das zum Glück auch durch einen Helm mit Visier geschützt war. Ein weiterer kassierte einen Tritt in die Kniekehlen und einen Schlag mit dem Tonfa gegen seinen Helm.

Während die SanitäterInnen den Bewusstlosen verarzteten, wurden sie mit Flaschen und Böllern beworfen. Ob das „friendly fire“ von den DemonstrantInnen oder aus dem samstagabendlichen Piazza-Publikum kam – und was es sollte –, können sie sich nicht erklären. „Wir sind immer in Rot gekleidet und als Sanitäter zu erkennen!“, betonen die Actionmedics.

Der unbeteiligte Passant, der von der Polizei überrannt worden war, wurde vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht. Es handelt sich bei dem Verletzten um den Besitzer des „Cayan Kiosk“ im Schulterblatt, der vor seinem Laden stand, als die Tumulte ausbrachen.

Schwere Verletzungen hat er laut seiner Tochter Dilan A. nicht erlitten, „aber gut geht es ihm trotzdem nicht“, sagte sie zur taz. „Als mein Onkel meinem Vater zu Hilfe eilen wollte, schlug ein Polizist ihm ins Gesicht“, erzählt sie. Die Szene ist auch in dem Video zu sehen. Ihr Onkel erlitt dabei eine Augenhöhlenfraktur.

Das Dezernat Interne Ermittlungen hat Ermittlungen gegen die Beamten aufgenommen. Man prüfe zur Zeit die Beweislage und könne daher keine Auskunft geben, sagte der Sprecher der Innennbehörde Frank Reschreiter.

Dilan A. will ihren Vater überreden, Anzeige zu erstatten. Mehrere Zeugen hätten sich schon im Kiosk gemeldet, um für ihren Vater auszusagen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.