Nur weil ich ein Smartphone dabeihabe, bedeutet das noch lange nicht, dass ich Lust habe, mit Ihnen zu reden!
: Nein. Rufen Sie mich nicht an.

Foto: privat

Nullen und Einsen

von Meike Laaff

Tipptipptipp. Adrett arrangiertes Seidenhalstuch, mit einem Knoten, der auf dem linken Schlüsselbein ruht. „Frau Laaff, ich sehe in meinem Computer, dass Sie von uns nicht angerufen werden möchten. Warum eigentlich?“, flötet die Bankangestellte.

Die ehrliche Antwort? Weil Sie mich stören. Immer. Es ist egal, ob Sie mich auf der Arbeit erwischen oder beim Biertrinken oder während ich an einer Bushaltestelle die Rückseite einer Shampooflasche lese: Jede Tätigkeit, die ich mir irgendwie selbst ausgesucht habe, interessiert mich mehr, als wenn Sie sich mit Ihrem „auf dieses Konto gibt es aber neuerdings 0,017 Prozent Zinsen“-Schnack in mein Hirn trollen.

Sage ich natürlich nicht so. Stattdessen halte ich mein Smartphone zur Illustration hoch. Lauter Zahlen in roten Kreisen: Zwei Anrufe in Abwesenheit. Sechs ungelesene SMS. Neue E-Mails und Threema-Nachrichten. Zumindest die Zahl der Anrufe würde ich gerne minimieren, sage ich der Dame mit dem Seidenhalstuch. Und, dass ich per Post immer ganz gut erreichbar bin. Der Nasenrümpfmuskel der Halstuchlady zuckt. Genau wie mein Freiberuflerfreund, dem ich schon seit Jahren beizubringen versuche, was der Termin-Erinnerungsbot meiner Zahnärztin längst weiß: Terminblabla kann man ganz grandios per Textnachricht abstimmen. Überhaupt: Wenn es nicht wichtig ist: Schreibt eine SMS, eine Mail. Aber macht nicht einen auf Leon Friedrich.

Leon Friedrichs, das sind Menschen unter 5, meist in bunten Mitwachshosen mit niedlichen Äffchenmotiv-Aufnähern auf den Knien, die sie als Bildungsbürgerkinder outen. Sandkastenknirpse, die sich, Hintern voran, in jede Unterhaltung reindrängeln, um mitzuteilen, dass Hunde braun sind. Wobei die Leon Friedrichs natürlich nichts können für ihr Reinfunken. Haben halt von ihren Eltern beigebracht bekommen, dass sie in jeder Unterhaltung Vorfahrt haben. „Oh, dein Vater hat Krebs, das ist natürlich – warte mal kurz: Ja, Leon Friedrich, was hat die Kim gesagt?“ Bloß um den Spross in der Entwicklung seines Selbstwertgefühls nicht zu beschädigen – oder gar sein Gefühl für die eigene Wirkmächtigkeit.

Schreibt man mir eine Nachricht, habe ich selbst die Chance, zu entscheiden, wann ich draufschaue. Leonfriedricht man mir in jeden dritten Satz mit einem Anruf, dann drängelt man sich, bunte Mitwachshose voran, in meinen Kopf – ganz egal, in welcher Unterhaltung, welchem Gedanken ich gerade gesteckt habe. Was ich ziemlich ärgerlich finde. Im Fall der Seidentuchlady sogar eine ziemliche Selbstüberschätzung. Das Telefon klingelt bei der Arbeit. Ich werfe alles aus den Händen, gehe dran. „Alles gut bei euch?“ Eine Frage, auf die die Antwort nicht lautet: „Jaja, wir rufen nur an, weil wir später noch in den Park gehen …“

Freunde, wir müssen mal ernsthaft über eine neue Smartphone-Netikette reden!

Da soll noch ein einziger Angehöriger aus der Generation von Herrn „Digitale Demenz“-Spitzer mir vorwerfen, ich könne mich nicht mehr lang genug am Stück konzentrieren. Wenn man mir ständig in jeden Gedanken bimmelt.

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