Krankheiten und Uhrzeiten: Der frühe Morgen schlägt aufs Herz

Jedes Organ hat eine eigene biologische Uhr. Hohes Fieber am Nachmittag? Dann sind Viren und nicht Bakterien die Verursacher.

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Migränepatienten müssen am frühen Morgen mit heftigen Attacken rechnen. Foto: Foto: imago/Science Photo

Die „Lerchen“ kommen frühmorgens besser aus den Federn und die „Eulen“ können dafür abends jede Party bis zum Ende durchfeiern. Wir spüren immer wieder, wie die biologische Uhr unser Leben bestimmt. Was wir aber weniger merken: Auch jedes einzelne Organ und jede einzelne Körperfunktion hat eine eigene innere Uhr, und deshalb werden auch Krankheiten zu bestimmten Zeiten schlimmer oder besser. Ein internationales Forscherteam hat nun die Daten zu den „Clockwork organs“ zusammengetragen - und dabei Erstaunliches zutage gefördert.

So ermittelte das Team unter Michael Smolensky von der University of Texas, dass versuchte Selbstmorde meistens in der Zeit vom Nachmittag bis zum frühen Abend durchgeführt werden, die vollendeten Suizide hingegen vor allem am späten Vormittag passieren. Wofür es prinzipiell zwei Erklärungen geben könnte: Dass nämlich die Depressionen am späten Vormittag besonders schlimm sind, oder aber, dass man zu dieser Zeit in dem, was man tut, besonders erfolgreich ist – also auch beim Selbstmordversuch.

Bei den Spannungskopfschmerzen hingen kann man relativ eindeutig erklären, weshalb sie nachmittags immer schlimmer werden: Weil sich nämlich während des Arbeitstages die Stressreize summieren. Migränepatienten müssen hingegen am frühen Morgen mit besonders heftigen Attacken rechnen. Was vor allem daran liegt, dass die Adern dann weniger elastisch sind als sonst. „Am frühen Morgen ähneln die Blutgefäße denen von Diabetikern und Rauchern“, erklärt Virend Somers von der Mayo Clinic in Rochester.

Die Zähne schmerzen am Morgen

Zudem wird gegen 6.30 Uhr verstärkt ein Protein namens PAI-1 abgegeben, das den Blutfluss verlangsamt. Aus diesem Grunde gibt es in den frühen Morgenstunden auch mehr schwere Infarkte und Schlaganfälle. Weswegen man in den Pharma-Labors bereits an der Entwicklung von Medikamenten arbeitet, die kurz vor dem Aufwachen das PAI-1 weniger zum Zuge kommen lassen.

Neben der Migräne erreichen auch Karies-Zahnschmerzen ihren Höhepunkt am frühen Morgen. Die Rückenschmerzen hingegen nicht, sie werden meistens gegen Abend schlimmer. Der Grund liegt auf der Hand: Mit jeder stehenden oder sitzenden Stunde des Arbeitstages summiert sich die Belastung für Wirbelsäule und tiefe Rückenmuskeln. Gicht und Arthritis werde hingegen zwischen zwei und vier Uhr morgens zur größten Plage, weil in dieser Zeit besonders wenig entzündungshemmendes Cortisol aus den Nebennieren ausgeschüttet wird.

Beim Fieber hängt die biorhythmische Kurve davon ab, wodurch es verursacht wird. Infolge von bakteriellen Infektionen ist es morgens am schlimmsten, aber wenn Viren dahinter stecken, werden die höchsten Temperaturen am späten Nachmittag und am Abend erreicht. Was vermutlich an den unterschiedlichen Vermehrungszyklen der Mikroben liegt.

In jedem Falle aber kann man die jeweiligen Fieberkurven als Kriterium für die Diagnose und Therapie heranziehen. Demnach braucht jemand, der Halsschmerzen und abends besonders hohes Fieber hat, eigentlich nicht zu Antibiotika greifen. Denn er hat wahrscheinlich ein Virusproblem, und da wirken diese Medikamente bekanntlich nicht.

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