Hausbesuch Monika Brachmann malt Landschaften – in Grün, Blau, Gelb. Rot geht auch, ist aber schwieriger
: „Wir haben viele Blitzeinschläge erlebt“

Monika Brachmann in ihrem Atelier: „Meine Bilder sind keine Idylle“, sagt sie Fotos: Dagmar Morath

Text Luciana Ferrando
Fotos Dagmar Morath

Zu Besuch bei Monika Brachmann in Steinrode, einem Dorf in der hügeligen Uckermark. Die Landschaft mit Rapsfeldern, Maisfeldern, Kopfsteinpflaster, Mirabellenbäumen leuchtet in Gelb, Beige, manchmal Grün. Darüber rasen die Wolken und verstecken die Sonne, lassen sie durch, verdecken sie wieder. Kein Mensch ist zu sehen.

Draußen: Hortensien, Sonnenblumen, ein Nussbaum, „kein englischer Rasen“, wird die Malerin Monika Brachmann später sagen. Eine schwarz-weiße Katze, die sich versteckt, vier Ponys, viele Schnecken, die die Malven auffressen. Das Haus hat zwei Etagen, hellgrüne Fensterläden und zwei Eingänge. Einer geht ins Haus, der andere zum Büro, wo Monika Brachmanns Mann umgeben von ihren Bildern seiner Arbeit als Versicherungsberater nachgeht. Seit 50 Jahren sind sie ein Paar.

Drin: Frisch geschminkt und frisiert macht Monika Brachmann die Tür auf und führt sofort die schmale Treppe in ihr Atelier unterm Dach hinauf. Das Radio läuft. Klassik und Jazz – „meine Musik“, sagt sie. Hell ist es, ordentlich, die Bilder hängen akkurat an den Wänden. Im Sommer sei es heiß hier oben. Durch den französischen Balkon lüftet sie und hievt auch große Bilder mit Seilen nach unten. Sie malt gerne große Formate. Manchmal auch kleinere. So wie die Ölkreideskizzen „meine Tagebücher“. Diese Miniaturen sind unverkäuflich.

Was macht sie? Zwei Bilder malt sie gleichzeitig, weil Ölfarbe so langsam trocknet. Acryl sei schneller, aber weniger intensiv. Ihre Landschaftsbilder erinnern an die von Gabriele Münter und an die der, von ihr bewunderten, Paula Modersohn-Becker. „Wegen des Materialwiderstandes machen mir Holzschnitte aber am meisten Spaß.“ Seit 1982 verschickt sie farbige Holzschnittminiaturen auf Büttenpapier als Neujahrsgrußkarten – Momentaufnahmen aus der Uckermark.

Ihre erstenZeichnungen hat sie mit Bruchsteinen aus den Kriegsruinen auf die Trottoirs in Berlin gemalt

Was macht die Umgebung mit ihr? „Meine Landschaftsbilder sind keine Idylle.“ Warum nicht? „Man erlebt die Natur hier ganz anders als in der Stadt. Da steckt Gewalt drin. Es gibt so viele Stürme, wir haben so viele Blitzeinschläge erlebt.“ Ein Nussbaum und ein Kirschbaum wurden schon von Gewittern entwurzelt. Ihr Mann hat neue gepflanzt.

Grundfarben: Gelb ist überall. „Gelb strahlt.“ Und dann gibt es so viele Rapsfelder in der Uckermark. Ob Gelb ihre Farbe ist? „Ja, und Rot und Blau, weil sie kräftiger sind.“ Sie glaubt nicht, dass Farben unbedingt mit Persönlichkeit zusammenhängen. „Schwer ist, dass Rot nicht gebrochen wird, aber auch nicht so plakativ ist, optisch angenehm. Rot ist nicht einfach einzuschätzen.“ In ihrer Berlin-Phase hat sie mattere Farben bevorzugt. Sie liebt den Herbst und das Frühjahr. „Nur für Grafik ist der Winter okay.“

Das Haus: Seit 1994 wohnen die Brachmanns in diesem Landhaus in Steinrode im Boitzenburger Land. Früher gehörte es der LPG, der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Zuletzt wohnte ein Alkoholiker da. Alles sei verfallen gewesen, alles bauten sie wieder auf. Fünf Häuser sind es noch in Steinrode. Bauernhäuser. Ein paar Zugezogene, ein paar Einheimische wohnen hier. Jeden Frühling gibt es den „Tag der offenen Tür“ in den uckermärkischen Ateliers. Dann kommen die Bauern vorbei und gucken sich ihre Bilder an.

Tagebuchminiatur

Die Malerei und sie: Geboren 1944 in Arnswalde, Pommern, aufgewachsen im Berliner Wedding. Ihre ersten Zeichnungen hat sie mit Bruchsteinen aus den Kriegsruinen auf die Trottoirs gemalt. Ihr Vater war Fußballspieler bei Hertha BSC unter Sepp Herberger, er starb, als sie zwei Jahre alt war. Die Mutter wollte, dass ihre Tochter einen anständigen Beruf lerne, deshalb machte sie eine kaufmännische Lehre. Dann erst hat sie Grafikdesign studiert und war später Meisterschülerin bei dem Maler Hermann Bachmann in Berlin. In den 70er Jahren hat sie viele Selbstportraits gemalt wie „Selbst à la Beckmann“ – eine Hommage an den Maler Max Beckmann. Aktbilder von Frauen hat sie auch gemacht, „weil sie schöner und runder sind“. Sie findet, dass Frauen „leider nicht das Sagen in der Kunst haben“. Um NachwuchskünstlerInnen sowie Wissenschaft und Forschung in der bildenden Kunst zu fördern, hat sie die „Wolfgang und Monika Brachmann Stiftung“ gegründet. Sie haben keine Kinder, deshalb übernimmt die Stiftung auch die Erhaltung ihres Werkes.

Einsamkeit: Das Gästezimmer wird selten von Freunden genutzt. Der Preis für die Natur, die hier groß ist, sei Abgeschiedenheit. Einen Hund hatte sie, der ist tot. „Die Katze hat uns adoptiert.“ Sie behelfen sich mit sich selbst. Ihr Mann wirkt als Modell für ihre Bilder wie etwa das, das „Der Mann, der Äpfel erntet“ heißt. Eine „Lesende Frau“ hat sie aus dem Kopf gemalt. „Sonst ist es hier menschenleer.“ Einsam fühle sie sich trotzdem nicht. „Die wenigen Einwohner sind hilfsbereit.“ Sie fährt oft nach Berlin, geht ins Kino, besucht Konzerte, Ausstellungen. „Als Großstädterin kann man nicht anders.“

Migrationen: Gibt es nicht mehr. Die Zeit zu bleiben sei gekommen. Sie ist gerne Zuhause, am liebsten in ihrem Atelier. Sie malt aus dem Gedächtnis. „Mein Charakter ist auch ruhiger geworden.“ Sie ist 68erin. Damals war sie politisch aktiv, hat in der „Roten Nelke“, einer politisch orientierten Künstlervereinigung, mitgemacht. Sie malte Plakate für den 1.Mai, rot und schwarz. „Frische Luft, klare Köpfe“ hieß das Motto damals. Ausgestiegen ist sie, als die Gruppe anfing zu diskutieren, ob Malerei politisch sei. Für sie können Delacroix oder Kollwitz Politik und Malerei zusammen bringen, andere nicht. „Politische Ereignisse sind viel zu aktuell für Tafelbilder. Grafik ist eher das Medium dafür.“

Uckermärkische Abgeschiedenheit

Inspirationen: „Davor habe ich keine Hemmung“, sagt sie. „Kunst kommt von Kunst. Manche tun, als ob sie keine Einflüsse hätten. Das ist nicht glaubwürdig.“ Sie hat sich vor allem Tagebücher von Künstlern in Antiquariaten gekauft, um sich inspirieren zu lassen. Der Einfluss ist ein Prozess, passiert nicht von einem Tag auf den anderen. „Man spürt eine innere Verwandtschaft und erkennt sich wieder“, sagt sie. „Wenn ich male, kommt am Ende aber immer Brachmann durch.“ Bei einigen Bildern zitiert sie sich selbst, indem sie frühere Bilder in einer Ecke mit hineinmalt. Mittlerweile hat sie viele innere Bilder, auf die sie zurückgreifen kann. Früher war sie oft in der Toskana. „Ich brauche nicht mehr dahin zu fahren. Meine Toskana liegt heute in der Uckermark.“

Wann ist sie glücklich? „Wenn ich male.“

Und wie findet sie Merkel? Die komme, meint sie, oft zu spät, etwa zu Flüchtlingen. „Viel früher hätte man etwas machen müssen und sie ist diejenige, die zuständig ist.“

Sie wollen auch besucht werden? Schicken Sie eine Mail an hausbesuch@taz.de